7. Februar 1947: Eröffnung der Ausstellung Deutsches Buchschaffen in der Rudolf-Oetker-Halle

•  Andreas Martin Vohwinkel, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld •

Am 7. Februar 1947 wurde in der Rudolf-Oetker-Halle die Ausstellung Deutsches Buchschaffen eröffnet. Die dreiwöchige Ausstellung zeigte nicht nur erstmalig einen Überblick über die seit Ende des Zweiten Weltkriegs entstandenen Veröffentlichungen von insgesamt 320 deutschen Buch- und Zeitschriftenverlagen, sondern präsentierte darüber hinaus eine Auswahl von Büchern aus dem europäischen Ausland sowie den USA.

Plakat zur Ausstellung Deutsches Buchschaffen; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,9/Plakate, Nr. 7715

Jedoch handelte es sich bei der ersten größeren Ausstellung in der britischen Besatzungszone um keine Buchmesse oder Leistungsschau im traditionellen Sinn. So betonte Oberbürgermeister Artur Ladebeck (1891-1963) in der Ausstellungsschrift, dass der primäre Zweck der Schau weniger darin bestehe, den Besucherinnen und Besuchern einen Anreiz zum Bücherkauf zu bieten. Vielmehr solle die Ausstellung, die einen „Beweis unseres Willens zum Leben, ein Dokument des Geistes“ darstelle, der deutschen Bevölkerung inmitten der Aussichtslosigkeit der ersten Nachkriegsjahre Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft geben und darüber hinaus „nach Jahren des Irrtums und der Finsternis“ einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Ähnlich äußerte sich in seinem Kurzbeitrag Major Paget-Brown, der als Mitglied der Information Control Unit (ICU) der britischen Militärregierung großen Anteil daran hatte, dass die Schau überhaupt zustande gekommen war. Er hob insbesondere die Tatsache hervor, dass die ausgestellten Bücher und Zeitungen eine Vielfalt an frei bekundeten Meinungen zum Ausdruck brachten, woraus sich die Hoffnung auf eine erfolgreiche Etablierung dauerhafter demokratischer Institutionen in Deutschland ableite.

Von der Idee zur Umsetzung

Trotz dieser demonstrativen Unterstützung, welche Major Paget-Brown und die ICU der Ausstellung Deutsches Buchschaffen zukommen ließen, wäre es falsch, die Schau primär als Projekt der britischen Militärregierung zu charakterisieren. Vielmehr ging die ursprüngliche Idee von den in Bielefeld ansässigen Buchhändlern Erich Vogel (1906-1956) und Otto Fischer (1907-1995) aus. Vogel war seit April 1946 Inhaber einer Kommissionsbuchhandlung in den Räumlichkeiten der Firma A.W. Kisker in der Mauerstraße 8. Fischer wiederum hatte 1927 die von Otto Fischer (1879-1927) gegründete Buchhandlung und den dazugehörigen Kunstsalon in der Obernstraße 47 übernommen. Beiden Männern schwebte zunächst eine „Werbeveranstaltung“ deutscher Verlage aus allen vier Besatzungszonen im kleinen Saal der Rudolf-Oetker-Halle vor. Die Veranstaltung sollte vor allem dazu dienen, einem interessierten Publikum die Menge der seit Kriegsende bereits wieder produzierten Bücher vor Augen zu führen, die in regulären Buchhandlungen aufgrund der notgedrungen geringen Auflagen und der hohen Nachfrage der allgemeinen Wahrnehmung verborgen blieb. Die Wahl Bielefelds als Veranstaltungsort für eine Bücherschau begründeten Vogel und Fischer unter anderem mit der in der Stadt verankerten Verlagstradition, aus der Verlage wie Velhagen & Klasing hervorgegangen waren, der in Bielefeld ansässigen Kunstgewerbeschule, die sich in den 1930er-Jahren zu einer überregional anerkannten Ausbildungsstätte für Buchgestalter entwickelt hatte, sowie der zentralen Lage der Stadt innerhalb der britischen Besatzungszone und der damit verbundenen guten verkehrstechnischen Anbindung, deren einziger Makel die fehlende Verbindung zum Buchzentrum Leipzig war. Vor diesem Hintergrund betrachteten die beiden Buchhändler die geplante Ausstellung zudem als Möglichkeit, Bielefeld als „Buchstadt“ zu etablieren.

Tatsächlich verfügte Bielefeld Anfang 1947 über 26 Druckereibetriebe, denen zum Teil große Buchbinderabteilungen angeschlossen waren. Hier wurden monatlich 150 000 bis 200 000 Bücher produziert, von denen etwa zwei Drittel Schulbücher waren. Auch die in der Stadt ansässige Zeitungsproduktion verfügte zu dieser Zeit über eine beachtliche Dimension. So fanden pro Erscheinungstag etwa 350 000 Zeitungsausgaben ihren Weg aus den Bielefelder Produktionsstätten in die Hände der interessierten Leserinnen und Leser in Stadt und Umland. Es verwundert daher nicht, dass 1947 von den 30 000 Mitgliedern des Industrieverbands Graphisches Gewerbe und Papierverarbeitung etwa 4000 Mitglieder aus dem Bezirk Bielefeld stammten. Vor diesem Hintergrund konstatierte der Berliner Telegraf in seiner Berichterstattung über die Ausstellung anerkennend, dass in der ostwestfälischen Stadt „4000 Menschen im Dienst am Buch“ beschäftigt seien.

Trotz dieser guten Argumente für Bielefeld als Standort einer Bücherschau sahen sich Vogel und Fischer bei ihrer Veranstaltungsplanung jedoch bald mit organisatorischen Hindernissen konfrontiert, die für eine angemessene Umsetzung der ursprünglichen Idee zusätzliche Unterstützung notwendig machten. Daher suchte Vogel am 19. September 1946 das Gespräch mit Oberbürgermeister Ladebeck, der von der Vorstellung einer Bielefelder Buchausstellung angetan war und dem Buchhändler nach entsprechender Absprache mit der britischen Militärregierung die Unterstützung der Stadtverwaltung zusagte. Kurz darauf wurde ein Vorbereitender Ausschuss gegründet, dem neben Vogel und Fischer die Buchhändler Gustav Werk (1895-1986) und Hermann Arndt (1912-1954) angehörten, wobei der Ausschuss in den folgenden Wochen mehrere personelle Erweiterungen erfuhr. Die Geschäftsstelle zur Vorbereitung der Ausstellung wurde in Vogels Kommissionsbuchhandlung in der Mauerstraße 8 eingerichtet. Neben der Rudolf-Oetker-Halle war zunächst auch das Haus der Technik als Veranstaltungsort im Gespräch, jedoch waren dessen Räume für den fraglichen Zeitraum bereits anderweitig belegt.

Die Mauerstraße 1957. Im Hintergrund ist das durch den Straßenüberbau geprägte Gebäude Mauerstraße 8 der Firma A.W. Kisker zu sehen, in dem sich die Geschäftsstelle der Ausstellung befand; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 11-1414-32 (Foto: Hans Niessen)

Ein Anfang November erfolgtes Gespräch des Vorbereitenden Ausschusses mit Major Paget-Brown und Captain Gibbon von der ICU schob den Vorbereitungsprozess zusätzlich an. So erklärte sich die britische Militärregierung bereit, für die Ausstellung eine Auswahl an Büchern ausländischer Verlage zusammenzustellen. Der von Paget-Brown gemachte Vorschlag, die Bücherschau angesichts dieser Erweiterung des Ausstellungsrahmens nun Internationales Buchschaffen zu nennen, fand bei den Ausschussmitgliedern jedoch keine Mehrheit, sodass die Schau auf einer für den 6. Dezember 1946 anberaumten Pressekonferenz im kleinen Sitzungssaal des Rathauses von Erich Vogel und Otto Fischer unter dem bewährten Namen Deutsches Buchschaffen angekündigt wurde. Zwei Tage später setzte Oberbürgermeister Ladebeck den Zeitraum der bis dato für Januar terminierten Veranstaltung auf den 7. bis 28. Februar 1947 fest.

Bis Ende Januar 1947 waren die Vorbereitungen für die Ausstellung weitestgehend abgeschlossen. Nur die Unterbringung der aus allen vier Besatzungszonen erwarteten Gäste war noch nicht abschließend geklärt worden. Vor diesem Hintergrund forderte das städtische Hauptamt alle Beamten und Angestellten der Stadtverwaltung dazu auf, für die Besucherinnen und Besucher der Bücherschau Quartiere bzw. einfache Schlafgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, da man von jenen erwarten könne, „dass sie in Anbetracht der ausserordentlichen [sic] Bedeutung der Ausstellung auch für die gewerbliche und industrielle Entwicklung der Stadt sich ebenfalls freudig in den Dienst der Sache stellen.“

Die Eröffnungsveranstaltung  

Als am 7. Februar 1947 gegen 16.30 Uhr im Großen Saal der Rudolf-Oetker-Halle die ersten Töne der vom städtischen Orchester unter Leitung von Hans Hoffmann (1902-1949) gespielten Egmont-Ouvertüre Ludwig van Beethovens (1770-1827) erklangen, ging eine mehr als viermonatige Planungs- und Vorbereitungsphase zu Ende. Nach diesem musikalischen Auftakt hieß Generalmajor Alec Bishop (1897-1984) das mit zahlreichen Gästen aus dem Ausland bestückte Publikum im Namen der britischen Militärregierung willkommen. Ihm folgte am Rednerpult Oberbürgermeister Ladebeck, der in seinen Begrüßungsworten die neue Bedeutung der Stadt Bielefeld auf dem Gebiet des Verlagswesens und der Buchausstellung hervorhob und die Ausstellung als Baustein für den geistigen Wiederaufbaus Deutschlands und Europas charakterisierte.

Eröffnung der Ausstellung am 7. Februar 1947: am Rednerpult Oberbürgermeister Ladebeck, sitzend (v.l.n.r.) Generalmajor Bishop, Ernst Rowohlt, Minister Hynd, ein britischer Offizier und Manfred Hausmann; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,4/Fotoalben, Nr. 163 (Foto: Liesel Hergeröder)

Die eigentliche Eröffnungsrede hielt anschließend der eigens aus London angereiste britische Minister für Deutschland und Österreich, John B. Hynd (1902-1971). Hynd definierte ein von Gedanken- und Redefreiheit zeugendes Schrifttum als grundlegende Bedingung jeglichen geistigen Fortschritts und betonte davon ausgehend die Bedeutung, welche der deutschen Presse und dem deutschen Verlagswesen beim Wiederaufbau Deutschlands zukomme. In diesem Zusammenhang widerlege die Ausstellung Deutsches Buchschaffen zum Teil die Behauptung, dass alle Bemühungen der britischen Militärregierung zur Wiedererweckung des politischen und kulturellen Lebens in ihrer Besatzungszone vergebens seien, da die deutsche Bevölkerung weder den Willen noch den Mut habe, sich selbst zu heilen. Möglicherweise nahm Hynd hier Bezug auf einen kurz zuvor im Londoner Evening Standard erschienen Artikel, der – laut der Münchener Neuen Zeitung – Deutschland aufgrund des Mangels an Büchern eine „kulturelle Verdunkelung“ sowie eine „geistige Hungersnot“ bescheinigt und das Gelingen einer politischen Umerziehung bzw. den Erfolg einer Wiederbelebung des demokratischen Gedankens in den vier Besatzungszonen entsprechend angezweifelt hatte.

Minister John Hynd bei der Besichtigung der Ausstellungstische; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,4/Fotoalben, Nr. 163 (Foto: Liesel Hergeröder)

Der Rede Hynds folgte ein Vortrag des Verlegers Ernst Rowohlt (1887-1960), der angesichts des damaligen Missverhältnisses zwischen dem hohen Bedarf an Büchern und der quantitativ geringen Buchproduktion den Verlegern die Möglichkeit nahelegte, eine „Diktatur des guten Buches“ zu errichten, um dem deutschen Buch wieder Geltung und Ansehen verschaffen. Den anschließenden Festvortrag hielt der Schriftsteller, Journalist und Laienprediger Manfred Hausmann (1898-1986). Hausmann betonte, dass das Buch wie alle Dinge eine gute und böse Natur besitze, ihm jedoch darüber hinaus eine dritte, jenseits dieser gegensätzlichen Kategorien stehende Natur anhafte, aufgrund derer das Buch den Menschen in das Reich der Kunst entführen könne. Jedoch dürfe Kunst nicht als Verlockung zur Flucht vor der Realität dienen, sondern müsse vielmehr ein Mittel der menschlichen Selbsterkenntnis sein. Den feierlichen Abschluss der Eröffnungsveranstaltung bestritt das städtische Orchester mit der Ouvertüre Romeo und Julia von Pjotr Tschaikowski (1840-1893).

 Die einzelnen Bestandteile

Dem Publikum, das die Schau Deutsches Buchschaffen besuchte, bot sich in den Räumlichkeiten der Rudolf-Oetker-Halle ein vielfältiges Bild. Im Mittelpunkt der Ausstellung stand die Schau Buchproduktion der Deutschen Verlage 1945/46, in der insgesamt 4000 Bücher von 260 Buchverlagen präsentiert wurden. Unter den ausgestellten Titeln, deren Bandbreite wiederaufgelegte Klassiker, Neuerscheinungen in Prosa und Lyrik, Kinder- und Jugendbücher, Almanache, Lexika und Musikalien umfasste, fanden sich insbesondere auch zahlreiche Werke von deutschsprachigen Schriftstellern, deren Schriften während des NS-Regimes verfemt worden waren. Die Münchener Neue Zeitung lobte vor allem, dass die präsentierten Bücher nicht nur inhaltlich, sondern angesichts farbiger Einbände und hoher Druckqualität auch äußerlich ein gutes Niveau aufweisen würden, und widersprach damit der während der Ausstellung mehrfach geäußerten Kritik, bei der dargebotenen Auswahl an Verlagsproduktionen dominiere zu stark das Format der Broschüre. Der Berliner Tagesspiegel wiederum bemängelte zwar bei einigen Büchern die „Armut der Aufmachung“, pries aber gleichzeitig die positiv überraschende „Fülle des Dargebotenen“.

Kernstück der Ausstellung war die Buchproduktion der Deutschen Verlage 1945/46; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,4/Fotoalben, Nr. 163 (Foto: Liesel Hergeröder)

Der Buchproduktion angeschlossen war die Sonderschau Die neuen Zeitschriften, welche sich aus rund 120 Zeitschriften von 80 Zeitschriftenverlagen zusammensetzte. Die Exponate der Sonderschau Druckkunst – Bibliographie – Einbandkunst, die mit ausgewählten Beispielen für die frühere Fertigkeit deutscher Buchdrucker und Buchbinder aufwartete, wurden aus Sicherheitsgründen wiederum ausschließlich in Vitrinen dargeboten. Der Journalist Franz Friese, der für die Gesamtredaktion der Ausstellungsschrift verantwortlich gewesen war, bezeichnete diesen Teil der Ausstellung im Nachgang als einen „Rückblick, dem gleichsam etwas Wehmütiges anhaftete, als der Erinnerung an ein Gewesenes und Verlorenes, der aber zugleich Ansporn und Zuruf für den Fachmann bedeutete, sich im Laufe der Zeit auch diese Gebiete einer hohen Buchkultur wieder zu erobern.“

Die Bücher der Sonderschau Druckkunst – Bibliographie – Einbandkunst konnten ausschließlich hinter Glas bewundert werden; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,4/Fotoalben, Nr. 163 (Foto: Liesel Hergeröder)

Einen Publikumsmagneten bildete die Sonderschau Bücher des Auslands, die etwa 4000 Titel von Verlagen aus Großbritannien, Frankreich, Belgien, Italien, Schweden, Schweiz und den USA umfasste. Die zwischenzeitlich eingeplante Teilnahme von Verlagen aus Bulgarien, Jugoslawien und Norwegen hatte sich hingegen im Verlauf der Ausstellungsvorbereitungen zerschlagen. Angesichts des Fehlens bestimmter Titel bemerkte der Berliner Telegraf kritisch, die kurzfristige Zusammenstellung der „Auslandsstände“ offenbare sich durch „eine nicht zu leugnende Zweitrangigkeit der literarischen Erzeugnisse.“ Einen gänzlich anderen Eindruck machte die Sonderschau auf den Berichterstatter des Berliner Tagesspiegels: „Neid regt sich neben Bewunderung. […] Welchen Vorsprung haben gerade diese Verlage vor uns erzielt!“ Die Bewunderung galt dabei vor allem den Büchern der Schweizer Verlage, von deren ausgestellten Werken 288 Titel als Spende des Schweizer Arbeiterhilfswerks seitens der Allgemeinen Gewerkschaft in Hannover auf Initiative ihres Vorsitzenden Hermann Beermann (1903-1973) zur Verfügung gestellt worden waren.

In der Sonderschau Bücher des Auslands wurden die Titel getrennt nach Herkunftsländern präsentiert; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,4/Fotoalben, Nr. 163 (Foto: Liesel Hergeröder)

Zu den weiteren Sonderausstellungen gehörten die als Leistungsschau des Bielefelder Buchgewerbes konzipierte Ausstellung Vom Baum zum Buch, in deren Rahmen Fotografien aus den Klischeeanstalten, Druckereien und Buchbindereien der Stadt gezeigt wurden, die Schau Arbeiten der graphischen Abteilung der Meisterschule des gestaltenden Handwerks Bielefeld (Kunstgewerbeschule), die in den Wandelgängen der Rudolf-Oetker-Halle angesiedelte und von der Gruppe Gebrauchsgraphiker der Vereinigung Bielefelder Künstler konzipierte Ausstellung Buch- und Werbekunst, sowie die Schau Werbung fürs Buch des Bielefelder Werbefachverbands, die anhand eines Musterbeispiels das erfolgreiche Umwerben eines Buchkäufers in mehreren Schritten präsentierte. Ergänzend dazu fanden im Verlauf der Gesamtausstellung mehrere Sonderveranstaltungen statt, so zum Beispiel eine Tagung der Verleger der britischen Besatzungszone am 9. Februar sowie eine, im Kleinen Sitzungssaal des Rathauses abgehaltene Tagung der sozialistischen Buchverleger Deutschlands am 14. Februar 1947.

Plakat für die Sonderausstellung Buch- und Werbekunst; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,9/Plakate, Nr. 7713

Bilanz und Wirkung

Obwohl die Ausstellung Deutsches Buchschaffen während einer ungewöhnlichen Kälteperiode stattfand, die sich negativ auf die Anreisemöglichkeiten auswirkte – zeitweise war es sogar unmöglich geworden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Bielefelder Innenstadt zur Rudolf-Oetker-Halle zu gelangen –, übertraf die Zahl der Besucherinnen und Besucher die Erwartungen der Organisatoren und Veranstalter deutlich. Insgesamt wurden etwa 23.000 Ausstellungsgäste gezählt, wobei sich gerade die Wochenenden durch ein hohes Besucheraufkommen auszeichneten. Letzteres hatte das städtische Kulturdezernat sogar dazu veranlasst, den Hauptausschuss der Stadt erfolgreich um eine Verlängerung der Ausstellung bis 2. März 1947 zu bitten.

So verwundert es wenig, dass die Bilanz der städtischen Stellen durchweg positiv ausfiel. Während die städtischen Pressestelle in einer Nachschau die Veranstaltung vor allem als wirtschaftlichen und finanziellen Erfolg bezeichnete, wertete das Kulturdezernat in einem Schreiben an das Hauptamt die Ausstellung als vollen Erfolg „auf dem Wege, Bielefeld zu einem wichtigen Zentrum in Westdeutschland im ‚Deutschen Buchschaffen‘ zu machen.“ In einem späteren Resümee wurde die Schau gar als „bedeutsames Zeichen […] einer entschiedenen Hinwendung zu einer Welt des gegenseitigen Verstehens und der Toleranz, zu einem Weltbürgertum im goethischen [sic] Sinne“ charakterisiert. Auch das Urteil der deutschen Presse war insgesamt sehr positiv, wobei neben der hohen Qualität der Gesamtausstellung und der guten Veranstaltungsorganisation vor allem die Gastfreundschaft der Bielefelder Bevölkerung hervorgehoben wurde. Dass insgesamt über 100 der ausgestellten Titel gestohlen worden und 34 der 288 Schweizer Bücher nach Ausstellungsende nicht mehr auffindbar waren, weshalb vereinzelt Vorwürfe einer mangelhaften Überwachung der Ausstellungstische laut wurden, schmälerte das positive Gesamtbild, das die Schau bei allen Beteiligten hinterließ, letztlich nur marginal.

Allerdings schaffte es die Ausstellung Deutsches Buchschaffen nicht, Bielefeld längerfristig als „Buchstadt“ zu etablieren. Zwar konnte die direkt im Anschluss geplante Schau Weltoffene Schweiz. Ausstellung neuer Bücher der Schweiz in Bielefeld in der Rudolf-Oetker-Halle unter der erneuten Federführung von Erich Vogel und Otto Fischer tatsächlich realisiert werden. Andere für Bielefeld prestigeträchtige Projekte wie beispielsweise die Idee der britischen Control Commission for Germany (CCG) in Bünde, die vorangegangene Schau als Bielefelder Ausstellung Deutsches Buchschaffen Ende März 1947 im britischen Sektor von Berlin und anschließend in einer Stadt der französischen Besatzungszone zu zeigen, kamen dagegen über Planungsansätze nicht hinaus. Stattdessen entwickelte sich in den folgenden Jahren Frankfurt am Main zum unangefochtenen Zentrum des westdeutschen Buchhandels. Unbestreitbar bleibt jedoch, dass die Ausstellung Deutsches Buchschaffen, deren Organisation unter den schwierigen Bedingungen der frühen Nachkriegszeit eine außergewöhnliche Leistung war, zu den ersten Schritten auf dem Weg zu einer langfristigen Demokratisierung und Pluralisierung der deutschen Gesellschaft auch in Bielefeld gehörte.    

Quellen:

  • Stadtarchiv Bielefeld, 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18 u. 67
  • Stadtarchiv Bielefeld, 104,2.20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 110-1895, 200-1932-3, 300-1949-2, 304-1927, 311-1954 u. 316-1956-1957
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 107,1/Kulturdezernat, Nr. 197
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,40/Velhagen & Klasing, Nr. 1018
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Nr. 9, 13, 35 u. 54
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 11-1414-32
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,4/Fotoalben, Nr. 163
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,9/Plakate, Nr. 7713 u. 7715
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,10/Zeitgeschichtliche Sammlung, Nr. 6065

Literatur:

  • Andreas Bootz, Kultur in Bielefeld 1945-1960, Bielefeld 1993
  • Stadt Bielefeld (Hrsg.), Leistungsschau Deutscher Verlage 1945/46 des Bielefelder Buchgewerbes und der Buch- und Werbekunst verbunden mit einer Sonderschau des Auslandes. Ausstellung vom 7. bis 28. Februar 1947, Bielefeld 1947
  • Reinhard Vogelsang, Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 3: Von der Novemberrevolution 1918 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2005

Erstveröffentlichung: 01.02.2022

Hinweis zur Zitation:
Vohwinkel, Andreas Martin, 7. Februar 1947: Eröffnung der Ausstellung Deutsches Buchschaffen in der Rudolf-Oetker-Halle , https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2022/02/01/01022022/, Bielefeld 2022

2 Kommentare zu „7. Februar 1947: Eröffnung der Ausstellung Deutsches Buchschaffen in der Rudolf-Oetker-Halle

  1. Sehr geehrter Herr Vohwinkel – wenn auch in Bielefeld aktuell noch einige ambitionierte Verlage präsent sind, so kommt auch Frieses wehmütige Erinnerung an ein gewesen Verlorenes über Ihren Rückblick bei mir an.
    Ihr Thema ermutigt mich nun, Sie um Auskunft darüber anzufragen, ab wann es wohl etwa die ersten in Bielefeld produzierten Schriften gab… ?
    Dem Stadtarchiv wie allen Rückklick-Autor:innen sehr herzlichen Dank für dieses hervorragende, lokalhistorisch rück’klickende’ Informations-Angebot! Könnte dessen Nutzung noch durch eine Such-Eingabefunktion ergänzt werden, wäre es optimal! Beste Grüße!

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    1. Sehr geehrte Frau Schulze-Kämper,

      vielen Dank für Ihre lobenden Worte!

      Bitte entschuldigen Sie meine späte Rückmeldung, aber ich bin erst vor ein paar Tagen auf Ihren Kommentar aufmerksam gemacht worden.

      Ein Aufsatz über die Anfänge des Buchdrucks bzw. des Verlagswesens in Bielefeld – namentlich der Aufsatz „Buchhandel und Buchdruck in Bielefeld im 17. und 18. Jahrhundert“ von Gustav Engel -, findet sich in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Pfefferschen Buchhandlung. Diese Festschrift ist in der Landesgeschichtlichen Bibliothek unter der Signatur „J 35 42“ verfügbar.

      Mit freundlichen Grüßen
      Andreas Vohwinkel

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