• Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld •
„Der Arbeiter wie der Fabrikdirektor, die Stenotypistin wie die Hausfrau, alle sind gleich hungrig nach kulturellen Erlebnissen“ – kaum ein Jahr nach ihrer Gründung bat die am 18. Januar 1951 ins Leben gerufene „Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde e. V.“ (GETHEKOS) in ihrer vereinsinternen Postille um eine intensivierte Mitgliederwerbung. Immerhin 650 Vereinsaufnahmen hatte sie bis Mitte Dezember 1951 erreicht, war allerdings von den erhofften 1.000 bis sogar 2.000 doch noch ein Stück entfernt. Und mit den vereinnahmten 50.000 DM aus der Kartenvermittlung waren die Haushaltslöcher des Theaters zunächst nicht vollständig zu stopfen. Die GETHEKOS hatte sich dennoch innerhalb von zwölf Monaten als einflussreiche und prominent besetzte Vereinigung etabliert, deren Arm weit zu reichen schien – manchem gelegentlich zu weit.

Sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägten Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und Währungsreform die junge Bundesrepublik und das alte Bielefeld. Auch das Kulturleben entfaltete sich neu, befreit von ideologischen Fesseln. Dabei musste vor allem das Theater um die Publikumsgunst werben, um sich finanziell zu behaupten. Anfang Januar 1950 hatte der Rat beschlossen, das Drei-Sparten-Haus beizubehalten, also weiterhin Schauspiel, Oper und Operette auf die Bühnen zu bringen. Das war außerordentlich ambitioniert, zumal mit dem Theater am Niederwall und dem Theatersaal am Alten Markt zwei Häuser zu bespielen waren – und zwar täglich. Am Niederwall verzeichnete man 1950 eine Auslastung von 68 bis 70 %, am Alten Markt von 80 %. Allerdings sorgten Ermäßigungen für den Jugendkulturring und die Volksbühne für Einnahmenabschläge, so dass die Erlöse nur bei 55 % und 60 % lagen. Um diese Defizite nicht wiederholt aus dem städtischen Haushalt auszugleichen, bedurfte es neuer Finanzierungsmodelle.
Bereits im Januar 1950 sprach Oberbürgermeister Artur Ladebeck (1891-1963) in einem Interview mit der Freien Presse die Gründung einer „Gesellschaft der Freunde des Theaters“ an, ohne dass sich etwas tat. Im Dezember streckte er die Finger Richtung Unternehmerschaft aus, um das Theater finanziell abzusichern. Die Bielefelder Wirtschaft nämlich hatte innerhalb weniger Jahre zu einer bemerkenswerten Form zurückgefunden und deren Chefs Gefallen an der Idee eines (im Idealfall steuerlich absetzbaren) Mäzenatentums und Engagements gefunden, das nicht auf einem zwischen 1933 und 1945 prägenden ideologischen Druck oder Zwang beruhte. Diese Selbstverpflichtung war von Anfang an gepaart mit der Forderung nach Einflussnahme auf die Arbeit des unterstützten Theaters. Schon am 5. Dezember 1950 hatte Ladebeck deshalb einem Vorbereitungskreis zugesagt, sich dafür einsetzen zu wollen, dass der zu gründende Verein Sitz und Stimme im Kulturausschuss erhielt. Sein Versuch, die Gesellschaft „Freunde des Theaters und Orchesters“ zu benennen, stieß bei den Versammelten auf wenig Gegenliebe, da „niemand für das Orchester auch nur eine DM geben würde“, wie Ladebeck dem Orchestervorstand anschließend mitteilte. Als Kompromiss kam schließlich „Theater- und Konzertfreunde“ heraus. Ladebeck kam allerdings nicht umhin, dem Orchestervorstand bei dieser Gelegenheit mitzuteilen, dass das Orchester nach mehreren Aufführungen musikalisch nachließe und Opern und Operetten „manchmal geradezu verschlonzt werden.“

Kaum vier Wochen später, am 18. Januar 1951 begrüßte der inzwischen an die Spitze der Initiative berufene ASTA-Direktor Ewald Kipper (1893-1976) zur Gründungsversammlung im „Westfalenhaus“ (dem ehemaligen „Kyfffhäuser“ am Kesselbrink) 38 Personen, darunter auch Ladebeck. Kipper verwies auf dessen Initiative, Menschen zu gewinnen, „die aus Begeisterung, Idealismus und praktischem Sinn heraus bereit und in der Lage seien, sich für das Theater einzusetzen“. Bis zur Gründungsversammlung hatte ein Vorbereitungskreis unter Vorsitz Kippers acht bis zehn Mal getagt, schien aber bereits einen indirekten Einfluss auf politische Beschlüsse auszuüben. Kipper schrieb die vom Theaterausschuss mittlerweile beschlossenen Etatverbesserungen für das Haus der inzwischen bekannten Initiative zu.
Kippers Ziel war eine die gesamte Bevölkerung erfassende Bewegung: „Voraussetzung ist, dass wir nicht eine Schicht erfassen, sondern an alle Schichten der Bevölkerung in ihrer ganzen Breite und Tiefe einen Appell an ihr Gewissen und ihr Bedürfnis richten, das unbewusst in jedem schlummernd lebt, damit wir unser Theater erhalten und weiter ausbauen können.“ Der neue Verein sollte das Theater jedoch nicht subventionieren, „aber wenn wir Kreise alarmieren, mobilisieren“, dann sei neben einer Beschaffung ermäßigter Karten für Betriebsangehörige eine Menge erreicht. Freilich stellte die Vermarktung vergünstigter Karten über die Mitgliedsfirmen eben doch eine indirekte Subventionierung dar. Ein 8-Punkte-Programm Kippers umfasste: 1. Werbung für den Kartenabsatz, „um eine finanzielle Gesundung des Theaters“ zu erreichen, „2. Unterstützung der Intendanz bei der Programmneuausrichtung auf das Publikum“, 3. Pflege der Verbindung zwischen Theater und Publikum, 4. Premieren wieder als Festveranstaltung, 5. Sondergastspiele und Vermittlung von Anregungen seitens der Bevölkerung, 6. Einsatz eingeworbener Finanzmittel, dass diese „in echter Weise wirksam werden zur Förderung des Theaters“, 7. jährlicher Theaterabend für die Mitglieder, 8. Herausgabe von Informationsblättern.

Anschließend präzisierte Prof. Dr. Wolf, dass das Hauptziel in der „ideellen Mitarbeit“ liege und in der Anwerbung auskömmlicher Abonnentenzahlen. Eine gesteigerte Besucherzahl und damit konsolidierte Finanzen sollten es dem Intendanten ermöglichen, einen Spielplan aufzustellen, „der dem standhält, was wir von einem guten Theater erwarten“ und „wie er seinen künstlerischen Tendenzen entspricht.“ Die Gesellschaft wolle mit ihm „Spielplanfragen in aller Sachlichkeit“ durchsprechen: „Wir wollen ihm nicht ins Handwerk pfuschen, aber man wird Anregungen geben können in persönlichen Aussprachen.“ Um diesem von Kipper und Wolf erklärten Anspruch an Qualität und künstlerischer Freiheit zu genügen, bedurfte es von Anfang an eines geschickten Balanceakts zwischen propagiertem Idealismus und erwünschter Programm-Einflussnahme, denn aus Sicht der Intendanz musste damit neben Oberbürgermeister, Kulturverwaltungsleitung und Kulturausschuss/Rat nur ein weiteres Gremium erwachsen, dem man berichtspflichtig wurde. Die vorbereiteten Statuten wurden einstimmig verabschiedet und Kipper zum Vorsitzenden bestimmt, dem ein achtköpfiger engerer Vorstand zur Seite gestellt wurde. Den für den Vorstand ursprünglich vorgeschlagenen Dr. Werner Obermann ersetzte auf Anregung aus der Versammlung ein Gewerkschaftsmitglied, und zwar der Brackweder Amtmann und spätere Stadtdirektor Wilhelm Generotzky (1906-1985).
Am 23. Februar 1951 veranstaltete der junge Verein bereits eine „Erste festliche Veranstaltung“ in der Rudolf-Oetker-Halle, die mit Bachs „Toccata“ durch Prof. Dr. Michael Schneider (1909-1994) von der Musikakademie Detmold eröffnet. Es folgten nach Ansprachen und Reden Stücke von Mozart, Goethe und Brahms. In der Pause wurden neue Mitglieder geworben. Innerhalb weniger Wochen zählte der Verein 218 Mitglieder, darunter auch erste Firmen wie Anstoetz, Kochs Adler Nähmaschinen, Karl Ostmann, Rudolf Richter, Paul Schneider, Hofmeister und die Druckereien Gustav Bentrup und Ernst Gieseking. Allerdings war die Mehrzahl der Unternehmen über ihre Eigentümer in Form persönlicher Mitgliedschaften im Verein vertreten. Unter diesen Firmen zeigten sich in den Anfangsjahren die ASTA-Werke mit ihrem Chef Ewald Kipper, der ja auch Vereinsvorsitzender geworden war, als besonders spendabel: 400 DM zahlte das Unternehmen 1953 an die GETHEKOS, es folgte Oetker mit 250 DM (1.000 DM waren es 1951) und die Firmen Dornbusch & Co. und die Katag AG mit jeweils 200 DM. Das Finanzpolster reichte indes nicht aus, auch wenn 450 Einzelmitglieder bis Anfang März 1951 mit einem Jahresbeitrag von 6 DM beigetreten waren, darüber hinaus 38 korporative Mitglieder.

Als Kipper 14 Monate nach der Gründung die erste reguläre Mitgliederversammlung eröffnete, konnte er zwar einen, auf den ersten Blick recht beeindruckenden, Stand von 643 Mitgliedern verkünden, gleichwohl war das Ziel, 1.000 Mitglieder zu zählen, deutlich verfehlt worden, und die mittelfristig erhofften 2.000 kaum noch realistisch.
Er nahm die Gelegenheit wahr, um einen Dauerbrenner der Diskussionen um die Stoßrichtung des Vereins darzustellen: „Der Sinn der Gesellschaft – das muss ich immer wieder wiederholen – ist nicht der einer Organisation, die sagt: wir verschaffen Euch billige Plätze. Wir wollen vielmehr von Ihnen eine ideologische Einstellung, Begeisterung für die Sache, und dass Sie dafür Ihren Obolus voll bezahlen. […] Wir haben nur das Interesse, den Gedanken des Theater- und Konzertwesens zu fördern, für die Idee zu werben. […] Wir wenden uns an die gesamte Bevölkerung.“
Nicht zu übersehen war freilich die Hinwendung zu einer „Hochkultur“, für die der Verein auch schon einmal tiefer in die Kasse griff. So stellte er dem Generalmusikdirektor Conz einen Betrag von 1.500 DM zur Verfügung, wovon allein 900 DM für ein einmaliges Engagement des, zugegebenermaßen herausragenden, Cellisten Gaspar Cassadó (1897-1966) verausgabt wurden, der am 29. Februar 1952 bei einem Sinfoniekonzert mitwirkte. Gut angelegt war die Förderung des jungen ungarischen Tenors Sándor/Alexander Kónya (1923-2002), der nach dem Zweiten Weltkrieg einer Repatriierung nach Ungarn entgangen und in Ostbevern hängen geblieben war und 1951 in Pietro Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ in Bielefeld debütierte. Intendant Schaffner hatte sich am 23. Mai 1951 direkt an Kipper gewandt: „Ich muss gestehen, daß ich in 21-jähriger Theaterleitung noch nie eine so zukunftsreiche Tenorstimme in ihren Anfängen entdeckt habe.“ Kónya blieb bis 1955 in Bielefeld, ging dann nach Berlin und sang später bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth, an der Mailänder Scala und über 14 Spielzeiten an der New Yorker „Met“.

Nachdem ein Sommerfest auf der Sparrenburg wegen einer Termindoppelung mit einem Konzert in der Rudolf-Oetker-Halle kurzfristig abgesagt werden musste, präsentierte sich der Verein am 24. August 1951 im Stadttheater mit einem neuen Format: „Neue Stimmen stellen sich vor“. Zur Veranstaltung waren nur Mitglieder eingeladen, um für die kommende Spielzeit und darüber hinaus verpflichtete Sängerinnen und Sänger aus Oper und Operette zu erleben. Kipper ermunterte das Auditorium erfolgreich zur Mitgliederwerbung (100 Neuaufnahmen!) und lobte in einem interessanten Mix aus Kulturförderer und Exportunternehmer die Leistungsfähigkeit deutscher Bühnen und Ensembles: „Es ist bekannt, daß das prominenteste Ausfuhrgut Deutschlands seine Musik war, die durch hunderte von Künstlern in aller Welt gespielt wurde und immer wieder Worte Wahrheit verschaffte, daß wir nicht nur ein Volk der Denker, sondern auch der Musiker sind.“ Den wesentlichen Vorteil verortete er in der Beständigkeit der Ensembles, das über Jahre hinweg miteinander arbeitete anstatt durch kurzfristige oder gar einmalige Engagements wiederholt neu formiert zu werden, wofür er allen seinen Dank aussprach, die auch „in den schwersten Zeiten sowohl des Terrorkrieges als auch nach Wiedereröffnung des Theaters“ tätig gewesen seien. Es liegt nahe, dass Kipper den Luftkrieg meinte und nicht die NS-Terrorherrschaft und -Angriffskriege.
Bei all den Diskussionen um Reichweite und Grenzen einer Teilhabe an politischen Prozessen, Ausgabenkontrolle und programmatisch-qualitativer Entwicklung war eine gewisse Reserviertheit der Kulturverwaltung spürbar, ebenso spendablen wie engagierten Laien, und das blieben sie offensichtlich aus Sicht ihrer Gegenüber, Mitsprache und Einfluss einzuräumen. Kulturdezernent Paul Jagenburg (1889-1975) wies frühzeitig auf mögliche Kompetenzkonflikte der neuen Gesellschaft und dem Kulturausschuss hin, aus dessen Reihen ebenfalls Unbehagen geäußert wurde. Ladebeck versuchte den distanziert bleibenden Dezernenten immer wieder von der Gutwilligkeit der GETHEKOS überzeugen: „Aber was soll das alles? Nicht so ängstlich! Leben entwickelt sich nur in Freiheit, es braucht Sonne und Pflege. Mißtrauen erstickt es. Es besteht auch keine Ursache dazu. Seien Sie also unbesorgt.“ Der neue Verein gewann bei der Kulturverwaltung indes den Anstrich einer Gruppe von finanziell-kulturell einflussreichen und sich in ihrem Urteil deshalb gefestigt fühlenden und dabei selbst bestätigenden Großbürgern.

In der Vereinsmitteilung Nr. 8 vom 12. Dezember 1951 veröffentlichte der Vorstand einen Beitrag des Gründungsmitglieds Dr. Hans Schnoor (1893-1976), der 1949 aus Dresden zugezogen war und dem das Bielefelder Kulturleben zu klein erschienen mag. Er entwickelte sich zu einem gefürchteten, gelegentlich ätzenden Musikkritiker des Westfalen-Blatts. Schnoor zog eine erste Bilanz über die aktuellen Entwicklungen des Theater- und Konzertlebens. Mit Wünschen und Sorgen müsse man sich an den Intendanten, den Kulturdezernenten und schließlich an den Oberbürgermeister wenden, denen einige Punkte vorzutragen seien: 1. „Wo bleibt die wertvolle Spieloper?“, 2. Sollten aufwändige Wagner-Aufführungen wirklich stattfinden?, 3. „Wo bleibt ein tragfähiges Werk der Moderne?“, 4. „Ist das Ensemble zweckmäßig eingesetzt“, passen Besetzung und Leistungsvermögen der Solisten?, 5. Chancen für ein Repertoire, das „farbiger und vitaler“ z. B. für das „Moment der Lebensfreude“ sein könnte?, 6. „Entsprechen die Verhältnisse in der Opernregie der verheißungsvollen Neuordnung in der Musikführung?“.
Die umfassende künstlerische Kritik Schnoors war kaum fehl zu deuten und entsprach eigentlich doch der Haltung des Vereinsvorstands, der diese Stellungnahme den Mitgliedern zuleitete, zu denen auch der Oberbürgermeister zählte. Auch Schnoors Wortwahl musste gelegentlich irritieren: „Schicksalsfragen“, „Treue um Treue“ (ein Wahlspruch der Wehrmachts-Fallschirmjäger, dessen Verwendung die Bundeswehr allerdings erst 2014 untersagte). Schnoor erklärte die GETHEKOS zu einem, wenn nicht sogar zu dem Sprachrohr der Kulturinteressierten: „Denn sie repräsentiert die urteilsfähige und urteilsfreudige Öffentlichkeit in einem sehr erheblichen Ausschnitt. Und wenn sie Kritik übt oder Leistungen bejaht – beides vielleicht nicht immer im Einklang mit der Ansicht der Theaterleitung –, so ist das eine Stimme, die unmöglich überhört werden kann.“ Diese Kritik und diesen Anspruch machte sich der Vereinsvorstand zu eigen: „Kritik reinigt, klärt, grenzt ab und fördert, und unsere Kritik in Bielefeld ist sachlich und ist verdient, wenn sie lobt, ist aber auch verdient, wenn sie hier und da mal etwas nicht gutheißt.“

Diese behauptete Sachlichkeit spiegelten Aufstellungen über die Entwicklung der Personalkosten dabei noch wider, aber nach einer Etataussprache am 20. Dezember 1951 konnte sie auch auf der Strecke bleiben. Ein von „G.“ und „Sch.“ (der bekannte Dr. Hans Schnoor?) gezeichneter Vermerk stellte u. a. fest: „Die Stimme des Leuter ist gut, ihm fehlt aber jeder Rhythmus. Im ganzen gesehen kann er als schlecht bezeichnet werden. […] Konya ist nicht tragbar. Seine Stimme hat nicht das gehalten, was erwartet wurde. […] Schmidt-Belden nimmt im Orchester keiner ernst. […] Er ist nicht tragbar. Helene Wendorff hat ihre beste Zeit hinter sich. […] Das Hochdramatische Fräulein Repp ist nicht tragbar. […] Der Heldenbariton Harmsen hat mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen und ist nicht sehr geeignet. […] Die Operettensängerin ist stimmlich gut. Sie passt aber schlecht zu ihrem Partner. Sie ist zu fett. […] Es wird empfohlen, bevor Aushilfen bei Krankheiten engagiert werden, durch den Amtsarzt die Krankheit überprüfen zu lassen.“ Sollten qualifizierende Urteile tatsächlich derart vehement vorgetragen worden sein, so ist die Zurückhaltung von Politik und Kultur- und Theaterverwaltung gegenüber dem Verein durchaus nachvollziehbar, denn hier wurden weite Teile des Ensembles z. T. herabgewürdigt und der Krankfeierei verdächtigt, zugleich aber auch die Leitung kritisiert, die schließlich dessen Auswahl, Besetzungen und Förderungen (Kónya!) verantwortete. Weitere Konflikte ergaben sich anlässlich von Vertragsverlängerungen, Kündigungen und Entlassungen. Ein Vorstandsprotokoll vom 10. Juni 1952 hielt fest: „Die Theaterleitung ist nicht sehr begeistert von der Existenz der Gesellschaft, weil wir uns als ´Freunde´ auch um die soziale Lage der Bühnenschaffenden bekümmert haben.“

Parallel hatte schon im August 1951 ein Konflikt mit der Volksbühne einen ersten Höhepunkt erreicht, als deren Vertreter Richard Schreiber aus dem Verein ausgeschieden war. Carl Dittrich, Geschäftsführer der Volksbühne, begründete dieses mit der „Tendenz der Gesellschaft, sich zu einer reinen Besucherorganisation zu entwickeln, die in ihrem Bestreben, der bisher bestehenden Besucherorganisation Volksbühne Abbruch zu tun, heute eindeutig auftritt“, was dem Gründungsgedanken eindeutig widerspreche. Veranlasst war diese Reaktion durch eine Bestellung von 1.800 Karten durch die Firma Delius über die GETHEKOS. Firmen konnten diese Ausgaben als soziale Betriebsausgaben steuerlich absetzen und die Karten an das Personal günstiger abgeben, als wenn diese selbst bei der Volksbühne bestellten. Folge war eine regelrechte Austrittswelle bei der Volksbühne. Eine Aussprache hatte letztlich zu keiner Annäherung geführt. Die GETHEKOS hatte klargemacht, dass sie keine „Interessenpolitik“ treibe, was als Spitze gegen die Volksbühne verstanden werden konnte. 1952 trat auch der Jugendkulturring aus der Gesellschaft aus.
Einen gewissen Alleinvertretungsanspruch konnte die Gesellschaft nicht verhehlen und wollte dieses auch nicht – aber derlei Attitüden waren auch anderen Vereinen eigen, die im Kulturleben aktiv waren. Diese Einstellung führte zur bereits in der Satzung festgelegten Forderung nach einer Vereinsrepräsentanz im Kulturausschuss. Nachdem diese bis März 1952 trotz schriftlicher Anfragen noch nicht erfüllt worden und am 7. März vom Kulturausschuss wegen des Präzedenzfallcharakters abgelehnt worden war, schlug Vorstandsmitglied Karl Baumhöfener vor, Ladebeck mit einer Vereinsauflösung zu drohen. Kipper erklärte dem Vorstand am 10. Juni 1952, dass die Gesellschaft sowohl einen Ausschusssitz wie Etateinsicht haben müsse, um erfolgreich wirken zu können. Wenn eine Lösung in der Mit- und Zusammenarbeit mit der städtischen Kulturverwaltung nicht zu erreichen sei, dann sei die Gesellschaft aufzulösen, weil die Vereinsziele damit unerfüllbar würden; er selbst werde dann den Vorsitz niederlegen.

In einem Exposé Kippers „Wo stehen wir heute mit unserer Gesellschaft der Freunde?“ wurde unmissverständlich der Vertretungsanspruch der GETHEKOS propagiert „als wesentliche Repräsentation der Bielefelder Bürgerschaft im Sinne einer richtig verstandenen Demokratie dazu berufen, […] an der kulturellen Planung und Gestaltung unserer Stadt mitzuwirken.“ Dazu sollte eine vollständige Etateinsicht gehören „oder noch deutlicher die gesamten geldlichen Dispositionen des gesamten Theater- und Konzertapparates.“ Das sollte nicht auf die Mitteilung einer „Globalsumme“ beschränkt bleiben, sondern eine „Detaillierung der gesamten entstehenden Kosten“ umfassen, „um daraus erst die wirtschaftlichen kaufmännischen und rationellen Gesichtspunkte ermitteln zu können, ob dieser Etat so verwaltet wird, wie es nach kaufmännischen Gesichtspunkten unter voller Berücksichtigung der künstlerischen Notwendigkeiten vertretbar ist.“ Die GETHEKOS hätten auch noch die Rolle des städtischen Rechnungsprüfungsamts übernommen.
Die Abhängigkeit des Intendanten von der Etatbewilligung und den Stadtplanungen sorgten aus Vereinssicht dafür, dass er „kein freier Mann“ sei. Ob das Einschieben einer weiteren Instanz in Form einer mit weitreichenden Kontrollbefugnissen und Programmeinfluss ausgestatteten GETHEKOS den Intendanten freier gemacht hätte, darf allerdings bezweifelt werde. Im Januar 1953 konstatierte Kipper gegenüber dem Vorstand, dass eine Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Stellen im Theater- und Konzertwesen „praktisch nicht mehr vorhanden“ sei. Darüber hinaus war Ladebeck unmittelbar nach der Stadtverordnetenwahl und seiner Abwahl im November 1952 ausgetreten. Auch das Vorstandsmitglied Dr. Willy Heiner verwies auf die inzwischen günstigere Finanzausstattung des Stadttheaters, so dass auch deshalb „die Existenz der Gesellschaft besonders dann als störend betrachtet wird, wenn die Gesellschaft bei kulturellen Planungen oder womöglich in Personalfragen sich bemerkbar macht.“

Im Frühjahr 1953 wurde die Forderung nach einem beratenden Sitz im Kulturausschuss dennoch erfüllt. Das ist umso bemerkenswerter, da die Volksbühne, der Jugendkulturring und der Bielefelder Besucherring kein derartiges Mandat erhielten, sondern über die GETHEKOS als eine Art Dachorganisation mitvertreten galten, obwohl das Verhältnis gerade wegen der eingetretenen Konkurrenz um Kartenabonnements inzwischen alles andere als harmonisch war. Den Sitz trat der Dresdner Bank-Direktor Dr. Albert Osthoff (1886-1964) an, der mit Kipper verabredete, dort als Privatperson aufzutreten und ausdrücklich nicht als Vereinsvertreter. Aus Sicht von Politik und (Kultur-/Theater-)Verwaltung musste dieser eingeräumte Sitz nicht unbedingt negativ sein, denn damit konnte der gelegentlich recht enthemmte äußere Einfluss durch Geschäftsordnungen und Ausschussmehrheiten kanalisiert werden.

In den Folgejahren normalisierte sich das Verhältnis, zumal sich die GETHEKOS schnell auf die finanzielle und ideelle Förderung von Theaterveranstaltungen und -talenten verlegte. Sie forcierte den Kartenvertrieb und nahm sich in Organisationsfragen stark zurück. Ewald Kipper blieb bis 1959 Vorsitzender, erwarb sich parallel höchste Verdienste im städtischen Kulturleben, als er die Jugend-Musikschule 1956 mitgründete und den dazugehörigen Verein leitete. Seit 1982 verleihen die „Theater- und Konzertfreunde“ den Operntaler, seit 1992 den Schauspieltaler, später kamen ein Tanztaler und ein Orchestertaler hinzu. Darüber hinaus unterstützen sie den Musikverein, den Volkschor und die Kammermusikvereinigung der Stadt Bielefeld, einzelne Produktionen und Künstler, engagieren sich bei Regionalwettbewerben von „Jugend musiziert“ und veranstalteten auch „Festliche Abende“ eine Reihe von Kinder- und Jugendkonzerten. Für die neue Bestuhlung des von 2004 bis 2006 umgebauten Stadttheaters sammelten die Thekos 350.000 Euro. Anlässlich des 60. Jubiläums 2011 bilanzierte die frühere Theaterintendantin Regula Gerber: „Die Thekos sind wichtige Gesprächspartner im besten Sinne, wohlwollend kritische Partner, immer wieder gute Brückenbauer in andere gesellschaftliche Bereiche – einfach echte Freunde für das Theater!“
Quellen
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 107,001/Kulturdezernat, Nr. 219: Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., 1950-1953
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 107,001/Kulturdezernat, Nr. 223: Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., 1954-1963
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 200,25/Nachlass Wilhelm Generotzky, Nr. 39: Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld, Enthält u. a.: Protokolle, Korrespondenz, Satzung, Satzungsentwurf, 1951-1952
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Nr. 28: Mitgliederlisten, 1951-1981
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Nr. 30: Vorstands- und Beiratssitzungen, 1950-1963
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Nr. 32: Rundschreiben und Mitteilungen, 1951-1973
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Nr. 35: Gründungsurkunden, Satzungen, 1951-1988
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Nr. 36: Eigene Veranstaltungen, 1951-1988
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 11-1526-66 (Stadttheater); 61-10-6 (Jagenburg), 61-12-1 (Ladebeck)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,10/Zeitgeschichtliche Sammlung, Nr. 1024 (Programm „Cosi fan tutte“, 1951/52)
Literatur
- 10 Jahre “ Gesellschaft der Theater – und Konzertfreunde Bielefeld „, in: BielefelderKultur- und Wirtschaftsspiegel 2 (1961), S. 8 f.
- ASTA-Werke (Hg.), Ewald Kipper. Ein Unternehmer – ein Unternehmen, Bielefeld 1969
- Bootz, Andreas, Kultur in Bielefeld 1945-1960 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 12), Bielefeld 1993
- Ewers, Nico, „Bürger schützte Eure Anlagen“ – in Aufruf zum 50sten Jubiläum der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Bielefeld 2001
- Heise, Klaus, Seit 28 Jahren engagiert: Die Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V., in: Bühnen der Stadt Bielefeld (Hg.), 75 Jahre Stadttheater Bielefeld 1904-1979, Bielefeld 1979, S. 16-18
- Vogelsang, Reinhard, Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 3: Von der Novemberrevolution 1918 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2005
- Wagner, Bernd J., Vom bürgerlichen Verein zum bürgerschaftlichen Engagement – Ein Netzwerk der Bürgerschaft für die Stadt, in: Andreas Beaugrand (Hg.), Stadtbuch Bielefeld 2014, Bielefeld 2013, S. 582-593
Erstveröffentlichung: 01.01.2021
Hinweis zur Zitation:
Rath, Jochen, 18. Januar 1951: Gründung der „Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V.“, https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2021/01/01/01012021/, Bielefeld 2021