27. Juni 1970: Arminia Bielefeld steigt zum ersten Mal in die Bundesliga auf

• Bernd J. Wagner, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld •

So etwas hatte es in Bielefeld noch nicht gegeben. Während sonst an einem Sonntag Kirchenglocken läuteten und nur wenige Autos auf den Straßen zu sehen waren, bildeten am 28. Juni seit den Mittagstunden hupende Autos von der Autobahnabfahrt Hillegossen ein Spalier, das über die Detmolder Straße bis in die Innenstadt führte. „Ahnungslose Autofahrer, die in den Trubel hineingerieten, kamen weder vor noch zurück“, berichtete anderntags die Neue Westfälische (NW). Es waren so viele Menschen auf der Straße, dass der Verkehr vollkommen zusammenbrach, selbst die Straßenbahn ihren Betrieb einstellen musste. In Sieker an der Endstation der Linie 2 standen Hunderte Menschen, schwarz-weiß-blaue Fahnen schwingend, mit ihren Tröten für einen ohrenbetäubenden Lärm sorgend. Sie warteten auf die Fußballmannschaft des DSC Arminia Bielefeld, die einen Tag zuvor, am 27. Juni 1970, mit einem 2:0-Sieg über Tennis Borussia in Berlin den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hatte. Es regnete sehr stark an diesem Sonntag. Davor erlebten Bielefeld und Fußball-Deutschland in jeder Hinsicht vier heiße Wochen.

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So sah Egon Körbi den Aufstieg. Die Karikatur hatte er schon vor dem 27. Juni 1970 gezeichnet, das Original schenkte er dem Verein noch im Berliner Olympiastadion. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Neue Westfälische vom 29. Juni 1970

Aber der Reihe nach: 1970 gab es unterhalb der Fußball-Bundesliga fünf Regionalligen, deren Erst- und Zweitplatzierte am Ende der Saison in Aufstiegsrunden um die begehrten Plätze im Fußballoberhaus kämpften. Arminia hatte in den Jahren zuvor die Saison immer im oberen Drittel der Regionalliga West abgeschlossen, der Wunsch, nach der Saison 1969/70 endlich in der Aufstiegsrunde mitspielen zu können, wurde vom Verein als Saisonziel formuliert. Die Arminen waren zwar gut in die Saison gestartet, standen gar am 10. Spieltag auf dem 2. Tabellenplatz, rutschten aber im November 1969 nach einer vermeidbaren Niederlage gegen die Spielvereinigung aus Lünen auf den 6. Tabellenplatz ab. Die Liga wurde souverän vom VfL Bochum angeführt. Für viele überraschend folgte in Bielefeld die Entlassung des Trainers. Hans Wendlandt (1918-1978), der die Arminen seit 1966 trainierte, sei wegen „unüberbrückbarer Gegensätze der beiderseitigen Auffassungen“ von seinen Aufgaben freigestellt worden, teilte Wilhelm Stute (1918-2005), Vorsitzender des Traditionsvereins, mit, der aber die Arbeit des Trainers vor allem in den ersten beiden Jahren lobte. Nüchtern kommentierte Wendlandt seine Entlassung: „Ich kann nur sagen, dass vom Vorstand offen und fair mit mir verhandelt worden ist. Ich kann auch verstehen, dass die Zuschauer nach drei Jahren etwas anderes sehen wollen. Sie wünschen, dass die Mannschaft mal auf den 1. oder 2. Platz kommt. Diesem Drängen muss der Vorstand Rechnung tragen und seine Konsequenzen ziehen. Das kann ich durchaus begreifen.“ Im Verein war es längst „kein Geheimnis“ mehr gewesen, dass sich die Mannschaft vom Trainer abgewandt hatte. Dem musste, so ein Präsidiumsmitglied, der geschäftsführende Vorstand Rechnung tragen.

Wendlandts Nachfolger wurde Egon Piechaczek (1931-2006), der bis zu seiner Entlassung den 1. FC Kaiserslautern trainiert hatte und „unter dessen Anleitung Gerd Roggensack so groß“ herausgekommen war; der Bielefelder Stürmerstar spielte 1967/68 in Kaiserslautern. Der neue Trainer nahm am 13. November 1969 seine Arbeit auf und kündigte an, in Bielefeld unter „bundesligamäßigen Bedingungen“ arbeiten zu wollen, da nur so das Saisonziel erreicht werden könne. „Verein und Spieler werden Opfer bringen müssen“, forderte er und versprach der Mannschaft „harte Arbeit, Schweiß und Tränen“.  Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl (1914-1993) glaubte in einem Interview mit der NW nicht, dass „ein Wechsel während der Saison zu dem gewünschten Erfolg führt.“ Andere beklagten, dass sich nun auch Arminia „von der allgemeinen Krankheit [habe] anstecken lassen, den Trainer vorzeitig aus dem Vertrag ausscheiden zu lassen.“

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Bielefelds Trainer Egon Piechaczek in einem Gespräch mit Trainerlegende Bundestrainer Sepp Herberger (1897-1977). Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 57-2-35

Aber der Trainerwechsel zeigte Wirkung: Drei Spieltage vor dem Saisonende führten die Arminen die Tabelle vor den punktgleichen Bochumern an, hatten aber ein besseres Torverhältnis. Bei den letzten drei Spielen geriet Sand ins Getriebe der Favoriten. Bielefeld holte nur noch einen, Bochum drei von sechs möglichen Punkten. Der Verdacht kam auf, dass beide Mannschaften in der Aufstiegsrunde nicht als Tabellenerster in die Gruppe mit dem großen Favoriten Kickers Offenbach spielen wollten. So führten die Arminen im vorletzten Spiel gegen Fortuna Düsseldorf bis zur 80. Minuten mit 2:0, mussten dann aber innerhalb von sieben Minuten den Ausgleich hinnehmen. Und im letzten Spiel gegen Bayer Leverkusen spielten sie „mit angezogener Handbremse“ und „verschenkten“ den Sieg, wie das Westfalen-Blatt (WB) am 25. Mai konstatierte. Das Spiel ging 0:1 verloren. Piechaczek gab später zu, bei diesem Spiel einige seiner besten Spieler für die Aufstiegsrunde geschont zu haben. Seine Taktik hatte Erfolg: Als Tabellenzweiter qualifizierte sich der DSC Arminia für die Aufstiegsrunde. Während Bochum nun in der „starken“ Gruppe mit Offenbach, Hertha Zehlendorf, VfL Wolfsburg und FK Pirmasens spielen musste, bildeten Arminia Bielefeld mit SV Alsenborn, Tennis Borussia Berlin, Karlsruher SC und VfL Osnabrück die zweite Gruppe.

Bevor aber gespielt werden konnte, mussten die Auflagen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für die Aufstiegsspiele erfüllt werden. Bereits am 17. April hatte sich der DFB an Arminia gewandt und im Falle eine Qualifikation für die Aufstiegsrunde gleich mehrere Forderungen gestellt. So fehlten bis dahin „Umkleidekabinen“, die mit einem „direkten und abgesperrten Zugang zum Spielfeld“ verbunden waren; die Zuschauer sollten diese Bereiche nicht betreten können. Zudem wurde eine „Absperrung zwischen Innenraum und Zuschauerrängen“, eine „Verstärkung des Ordnungsdienstes“ und eine Verbesserung der „sanitären Anlagen“ gefordert. Der Verein sollte zudem garantieren, dass das Spielfeld 105 Meter lang und 68 bis 70 Meter breit war. Vorsorglich teilte der DFB erste Auflagen mit, die mit einem eventuellen Aufstieg in die Bundesliga verbunden waren. Dazu gehörten der „Bau einer gedeckten Tribüne“ sowie für die Presse bis zu 75 Plätze mit dazugehörenden Presseraum und die „Erstellung einer Flutlichtanlage“. Der DFB kündigte an, um den 1. Mai nach Bielefeld kommen und sich vor Ort das Stadion „Alm“ anschauen zu wollen.

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Herbert Hinnendahl, von 1963 bis 1975 Oberbürgermeister von Bielefeld. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 61-8-46

Als am 19. April das Spitzenspiel der Regionalliga West gegen den VfL Bochum stattfand, herrschte drangvolle Enge auf der „Alm“. Die „sprichwörtliche Ölsardine [genieße] in ihrer Dose mit Sicherheit mehr Bewegungsfreiheit“ als die Fußballfans im Stadion, berichtete anderntags die NW. Zum Applaudieren fehlte der Platz, und „wer sich eine Zigarette anzünden wollte, lief Gefahr, seinen Nachbarn gleich mit in Brand zu setzen.“ Das WB titelte: „Knapp vor dem Chaos“. Unter den Zuschauern war auch Oberbürgermeister Hinnendahl, der noch im Stadion ankündigte, dass die Zuschauerkapazität erhöht werden müsse. Die Euphorie des 2:0-Sieges gegen den starken Konkurrenten aus dem westlichen Westfalen wurde auch ins Rathaus getragen. Einen Tag nach dem Spiel, am 20. April, reichte der Sportausschuss einen Dringlichkeitsantrag ein, der die Kapazität der „Alm“ auf bis zu 30.000 Zuschauer erhöhen sollte. Die Stadt veranschlagte für den Bau einer 8.600 Stehplätze umfassenden Stahlrohrtribüne 300 bis 350.000 DM und erklärte sich bereit, die Hälfte der Kosten zu tragen. Für die andere Hälfte wollte Hinnendahl die Geldinstitute in Bielefeld gewinnen, die im Rahmen eines Sponsorings Anteile in Höhe von bis zu 20.000 DM zeichnen konnten. Innerhalb weniger Tage lagen Zusagen von über 100.000 DM vor. Die Euphorie und Bereitschaft, Arminias Aufstieg finanziell zu ermöglichen, war groß in Bielefeld.

Und Arminia gab das Vertrauen zurück. Am 27. Mai „tötete“ der „DSC-Kampfgeist […] Alsenborns Siegeswillen“, hieß es martialisch in der NW, die damit aufzeigte, dass Fußball viel mehr als nur ein Sport ist. Arminia hatte den Meister der Regionalliga Südwest mit 1:0 bezwungen. Der zweite Spieltag war für Bielefeld spielfrei. Einen Tag später, am 31. Mai 1970, begann in Mexiko die Fußballweltmeisterschaft, die, wegen der im Nachtprogramm der Fernsehsender übertragenen Spiele, auch Einfluss auf das Zuschauerinteresse bei den Aufstiegsspielen haben sollte. Als Arminia am 3. Juni auf der Alm gegen Tennis Borussia Berlin spielte, blieb das erwartete Verkehrschaos zwar aus, weil Viele zu Fuß ins Stadion gingen, die „Alm“ war aber auch nicht ausverkauft. Mit mindestens 25.000 Zuschauern hatte man gerechnet, Arminias Geschäftsführer Walter „Tinnef“ Röhe (1896-1982), der 1922 und 1923 mit den Schwarz-Weiß-Blauen Westdeutscher Meister geworden war, sprach dagegen von „höchstens 20.000“. „Was mag der Grund sein?“, fragte Horst Elsner in seiner Kolumne „Almgeflüster“. „Hat man die Begeisterungsfähigkeit der Ostwestfalen doch überschätzt? Liegt es am für manchen zu unbequemen Mittwochabend oder gar an den erhöhten Preisen, die allerdings vorgeschrieben sind?“ In der Kolumne unerwähnt blieb ein für Deutschland erster Höhepunkt bei der Fußball-Weltmeisterschaft, der zwar zeitversetzt, aber ebenfalls am 3. Juni 1970 im mexikanischen León stattfand. Im Fernsehen gab es den mühsamen Auftaktsieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Marokko zu sehen. Während in Mexiko das Ergebnis stimmte, Deutschland gewann 2:1, rief die Leistung der Arminen erste Pessimisten auf den Plan: Die „hochfavorisierten“ Arminen beendeten das Spiel nur unentschieden 1:1.

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Von oben sah es sehr voll aus: Arminia gegen Tennis Borussia Berlin am 3. Juni 1970 auf der Alm (Foto: Günter Rudolf). Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 57-2-4

Auch das Auswärtsspiel in Osnabrück endete unentschieden, obwohl Arminia den VfL „auf eigenem Gelände 90 Minuten“ lang beherrschte. Aber ein Tor wollte im Derby nicht gelingen. Ein besonderes Lob erhielt der Schiedsrichter des brisanten Nachbarschaftsduells, der, wie eine Zeitung schrieb, „mit strenger Großzügigkeit“ pfiff und überhaupt die „rechte Mischung aus Zucker und Peitsche in der Pfeife“ hatte. Groß war dagegen die Freude am 10. Juni: „In einem mit großer Härte und Verbissenheit geführten Spiel“ besiegten die Arminen den Karlsruher SC auf der Alm nach einem 0:1-Rückstand souverän mit 3:1. Mit dem gleichen Ergebnis feierte die deutsche Nationalmannschaft einen Sieg gegen Peru, wobei der zum „Bomber der Nation“ gekürte Gerd Müller gleich alle drei Tore schoss. Es folgte der 17. Juni 1970, der die Fußballherzen nicht nur in Bielefeld, sondern in Deutschland höherschlagen ließ. Während Arminia sein Heimspiel gegen Alsenborn mit 3:0 gewann, sahen wenige Stunden später Millionen das Jahrhundertspiel im Fernsehen: In einer Hitzeschlacht im Aztekenstadion in Mexico-City unterlag Deutschland Italien in der Verlängerung zwar mit 3:4, schrieb aber Fußballgeschichte. Arminia feierte nach dem Sieg gegen Alsenborn einen weiteren 3:0 Sieg gegen Osnabrück, verlor dann aber auch in Karlsruhe unglücklich mit 0:1.

Am Morgen des 27. Juni führte der Karlsruher SC mit 11:5 Punkten die Tabelle der Aufstiegsgruppe 1 an. Bielefeld folgte mit 10:4 Punkten auf dem zweiten Platz. Während Karlsruhe die Aufstiegsrunde bereits beendet hatte, blieb Bielefeld noch das letzte Spiel in Berlin, dass die Arminen gewinnen mussten, wenn sie in die Bundesliga aufsteigen wollten. Im „Glutofen des Berliner Olympiastadions“, es sollen an diesem Nachmittag dort 52° Celsius auf dem Platz gemessen worden sein, gewannen die Arminen mit 2:0. Im Stadion verfolgten nur 4.000 Zuschauer das Spiel, von denen mindestens die Hälfte aus Bielefeld angereist waren. An den Radiogeräten in Bielefeld und selbst im Brackweder Freibad brandete kurz nach dem Spiel ein ohrenbetäubender Jubel auf; in Brackwede hatte es sich der Bademeister nicht nehmen lassen, die Botschaft vom Aufstieg über die Lautsprecheranlage zu verkünden. In Berlin sah man den Arminen noch lange nach dem Spiel die Spannung an. Sie löste sich erst, „als die Spieler nach einem erfrischenden Glas Sekt in der Schwimmhalle des wunderschön gelegenen Berliner Luxushotels ‚Seerose‘ schwammen, sprangen und wie fröhliche Kinder herumtollten.“ Wie erwartet hatte Kickers Offenbach die zweite Aufstiegsgruppe für sich entschieden. Beide Aufsteiger erzielten 12:4 Punkte, die Arminen hatten aber das bessere Torverhältnis.

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„Weidmannsheil Arminia“ – So sah der Karikaturist Egon Körbi das Spiel gegen den „gefährlichen Burschen aus dem Wildpark-Stadion“. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Neue Westfälische vom 10. Juni 1970

Nach den vier heißen Wochen, die Bielefeld zum Aufstieg nutzte und in denen Brasilien zum dritten Mal Weltmeister wurde, regnete es am Sonntag, dem 28. Juni, in Ostwestfalen wie aus Kübeln. Dessen ungeachtet feierte die Stadt frenetisch die Heimkehr der der schwarz-weiß-blauen Helden. Und erstmals standen die Bundesligaaufsteiger auf dem Rathausbalkon. Oberbürgermeister Hinnendahl, der mit seiner Frau Hildegard die Mannschaft vom Flughafen in Hannover abgeholt hatte, wies auf „einige schwerwiegende Voraussetzungen“ hin, die umgesetzt werden müssten, damit Arminia „den Schritt in die Bundesliga auch tatsächlich“ gehen könne. Vor jubelnden Anhängern versprach er, dass „die Stadt ihre Arminia nicht im Stich lassen werde.“ Und er appellierte „an alle sportbegeisterten Kreise unserer Stadt […], gemeinsam die anstehenden Probleme lösen zu helfen.“

In der Tat reichte die sportliche Leistung eines Vereins schon lange nicht mehr aus, sich für das Fußballoberhaus zu qualifizieren. Horst Elsner brachte das Dilemma in seiner Kolumne „Almgeflüster“ bereits Mitte Juni auf den Punkt: „Was Arminia als neuer Bundesligist zuerst aufbringen müsste, sind einmal die 250.000 DM Kaution an den Deutschen Fußballbund. Das Geld ist nicht da. Man muss bei Serienbeginn 10.000 überdachte Plätze auf der Alm stellen, um damit den simpelsten Komfort zu bieten. Das Geld dafür ist nicht da. Arminia muss Trainer wie Spieler mit höher dotierten Bundesligaverträgen ausstatten. Das Geld ist nicht da. Der Verein muss einige Funktionäre zu ‚Hauptamtlichen‘ ernennen (oder Neue einstellen) und sie entsprechend bezahlen. Das Geld ist auch dafür nicht da. Arminias Einkünfte aus den Aufstiegsrundenspielen tragen zwar den bisherigen Schuldenberg ab, aber sie reichen vermutlich nicht einmal dafür aus, dafür neue gute Spieler einzukaufen.“ Auf seiner Liste fehlten noch weitere Auflagen des DFB, die dieser dem Aufsteiger am 30. Juni mitgeteilt hatte. Dazu gehörte auch eine sehr teure „Flutlichtanlage mit einer Stärke von wenigstens 400 bis 500 Lux“, die farbfernsehertauglich sein und bis „Mitte September 1970“ errichtet werden musste. Elsner appellierte an die Verwaltung und Unternehmen der Stadt, großzügig zu helfen. „Sonst bliebe Arminia nur die ‚Schande‘, dem DFB eine Absage zu schicken mit der Begründung: ‚Wir können nicht in die Bundesliga, denn wir haben kein Geld‘.“ Der finanzielle Druck, der auf dem Verein und der Stadt lastete, wurde in der überregionalen Presse noch verstärkt: Für einen Sportredakteur der Deutschen Presseagentur (dpa) war die Bundesliga für Bielefeld ein „Abenteuer“; die „größten Probleme“ würden erst mit dem Aufstieg auf den Verein zukommen.

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Mit dieser Mannschaft ging es im Mai 1970 in die Aufstiegsrunde (Foto: Günter Rudolf). Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Westfalen-Blatt vom 16. Mai 1970

Allen Unkenrunken zum Trotz erfüllte Bielefeld die Auflagen des DFB und spielte als prophezeiter „Punktelieferant“ und „Abstiegskandidat Nummer 1“ eine erstaunlich gute Saison. Am letzten Spieltag standen die Arminen auf dem 16. Tabellenplatz. Das letzte Spiel, wiederum im Berliner Olympiastadion, gegen die Hertha gewann Bielefeld mit 1:0, war nun Tabellenvierzehnter und konnte endlich die neue Saison im Oberhaus planen. Die heimkehrende Mannschaft wurde auf dem Bielefelder Hauptbahnhof frenetisch gefeiert. Und dann platzte die Bombe. Zunächst ungläubig hörte man in Bielefeld von der Pressekonferenz des Offenbacher Präsidenten Horst Gregorio Canellas (1921-1999), der erstmals von Bestechung sprach. Dem Jubel im Juni 1970 folgte nur ein Jahr später Enttäuschung, Trauer und Wut. Arminia ist tief gefallen nach dem Bestechungsskandal, an dem sich längst nicht nur der ostwestfälische Traditionsverein beteiligt hatte. Und er musste wieder Vertrauen gewinnen, was sicher nicht einfach war. 1978 glückte der zweite Aufstieg, dem noch vier weitere Aufstiege, aber auch Abstiege folgten. 50 Jahre nach dem ersten Aufstieg klopft Arminia wieder ans Tor des Fußballoberhauses. Nach einer souveränen, herzerfrischenden Saison 2019/20 in der Zweiten Bundesliga. Die Euphorie ist groß in Bielefeld!

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 101,2/Oberbürgermeister, Nr. 80: DSC Arminia (1970-1972)
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Neue Westfälische, Westfalen-Blatt (1969-1970)
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung

Literatur

  • Jens Kirschneck/Klaus Linnenbrügger, Arminia Bielefeld. Ein Verein will nach oben, Göttingen 1997
  • Jens Kirschneck/Marcus Uhlig (Hrsg.), DSC Arminia Bielefeld. 100 Jahre Leidenschaft, Göttingen 2005
  • Bärbel Sunderbrink/Bernd J. Wagner, Das war das 20. Jahrhundert in Bielefeld, Gudensberg-Gleichen 2001, S. 75.

Erstveröffentlichung: 01.06.2020

Hinweis zur Zitation:
Wagner, Bernd J., 27.06.1970: Arminia Bielefeld steigt erstmalig in die Bundesliga auf, https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2020/06/01/01062020, Bielefeld 2020

2 Kommentare zu „27. Juni 1970: Arminia Bielefeld steigt zum ersten Mal in die Bundesliga auf

  1. Danke für den schönen Beitrag! Passgenau zum sicheren erneuten Aufstieg, zu dem man die Arminia beglückwünschen muss. Mit nur einem „Wermutstropfen im Becher der Freude“ – dass Paderborn ebenso sicher absteigt und es kein Derby gibt. Hoffen wir, dass die Arminia dann die Klasse hält! Beste Grüße von Andreas Ruppert aus Paderborn

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  2. Die Begeisterung war groß 1970 und der tiefe Fall 1971 war katastrophal, ich hatte eine Woche lang Bauchschmerzen, konnte kaum was essen und der Vereinsvorsitzende wollte sich die Hand abhacken lassen wenn Arminia da mit geschoben hätte.

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