Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden der Kreisbauernschaft Bielefeld Teilaufgaben des Ernährungsamtes für die Stadt und den Landkreis übertragen. Dazu gehörte bereits im September 1939 die Sicherung der Ernte, die angesichts der Rekrutierung junger Soldaten gefährdet erschien. Vor allem durch den Einsatz von Schülerinnen und Schülern konnte die Ernte „bis auf geringfügige Einzelfälle” eingebracht werden. Bereits am 21. Oktober 1939 wurden 450 polnische Kriegsgefangene von einem Kriegsgefangenenlager im Sauerland in den Arbeitsamtsbezirk Bielefeld verlegt, der außer der Stadt und dem Landkreis auch die Landkreise Halle und Wiedenbrück mit einschloss. 185 Kriegsgefangene, die sofort bei der Hackfruchternte eingesetzt wurden, blieben im Stadt- und Landkreis Bielefeld und wurden auf sieben Lager verteilt. Am 9. März 1940 teilte die Kreisbauernschaft Oberbürgermeister Fritz Budde mit, dass zur Sicherung der landwirtschaftlichen Betriebe aufgrund weiterer Einberufungen die Vorbereitung zur „Einsetzung von einigen 100 polnischen Zivilarbeitern” nunmehr abgeschlossen sei. Während die Kriegsgefangenen „in Lagern zusammengeschlossen sind, werden die polnischen Zivilisten zur Arbeitsleistung auf den Höfen untergebracht”, versprach die Kreisbauernschaft.

Zu den ersten „polnischen Zivilarbeiterinnen” im Amt Heepen gehörten mehrere Frauen aus der Woiwodschaft Kalisz im ehemaligen Westpreußen, die sich im April und Mai 1940 als „freiwillige Zivilarbeiterinnen” gemeldet hatten und über das Arbeitsamt in Bielefeld an Bauern in der Ortschaft Brake vermittelt worden waren. Sie mussten bald feststellen, dass es sich bei dem Arbeitseinsatz im „Reichsgebiet” um alles andere als ein normales Arbeitsverhältnis handelte. Seit dem 8. März 1940, also seit dem Tag vor der Verkündigung der Kreisbauernschaft, galten in Deutschland Erlasse, die eine strikte Trennung zwischen „polnischen Zivilarbeitern” und der einheimischen Bevölkerung forderten. Die Polen mussten ihre Kleidung mit einem diskriminierenden „Polen-Abzeichen” kenntlich machen, durften ohne Genehmigung ihren Aufenthaltsort nicht verlassen oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Eine zum Teil mehrjährige „Zwangsarbeit im Arbeitserziehungslager” drohte, wenn jemand „lässig” arbeitete, „andere Arbeiter aufhetzt(e), „die Arbeitsstätte eigenmächtig” verließ oder Sabotage betrieb. Unerbittlich zeigte sich der Gesetzgeber bei sexuellen Kontakten: „Wer mit einer deutschen Frau oder einem deutschem Mann geschlechtlich verkehrt oder sich ihnen sonst unsittlich nähert, wird mit dem Tode bestraft.”


Die 16- bis 20-jährigen jungen Frauen aus dem polnischen Kalisz wurden 1941 von der Gendarmerie des Amtes Heepen zur Verantwortung gezogen, weil sie zum wiederholten Mal das „Polen-Abzeichen” in der Öffentlichkeit nicht getragen hatten und mit der Straßenbahn nach Bielefeld gefahren waren. Weil eine von ihnen Päckchen nach Polen gesandt hatte, wurde dieser Frau Diebstahl unterstellt. Sie gab an, in der „Bethelverkaufsstelle”, der heutigen Brockensammlung der von Bodelschwinghschen Stiftungen, verschiedene „Sachen gekauft” zu haben, weil sie dort „keine Punkte bzw. Bezugscheine abgeben” musste. Es handelte sich um „einen Stutzer (kurzer Herrenüberrock), zwei Blusen, fünf Kinderkleider, drei Kinderschürzen, zwei Schlüpfer für Kinder, drei Kinderleibchen, drei Pantoffel, ein paar Kinderschuhe und ein paar neue Damenschuhe”, wobei es sich allerdings um zwei rechte Schuhe handelte. „Diese Sachen habe” sie „zum Teil in zwei Paketen nach Polen geschickt.” Während der Diebstahlsvorwurf fallen gelassen wurde, mussten die Frauen jeweils 20 Mark Strafe zahlen, weil sie unerlaubt den Wohnort verlassen und das „Polen-Abzeichen” nicht getragen hatten. Angesichts eines monatlichen „Verdienstes” von 25 Mark handelte es sich hierbei um eine empfindliche Strafe.

Das war auch gewollt. 1943 hatte die Stabsstelle des Reichsführers SS Städte und Ämter daran erinnert, dass „Polen, die gegen die Kennzeichnungsbestimmungen verstoßen, […] mit fühlbaren Geldstrafen (Zwangsgeld) zu belegen und, wenn sie mehrfach ohne ‚P‘-Kennzeichen” angetroffen werden, „den Staatspolizeileitstellen zur weiteren Behandlung zuzuführen” seien. In der Tat gehörten der Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht und das unerlaubte Verlassen des Stadt- oder Gemeindebezirks zu den häufigsten Vergehen von „Fremdarbeitern” zwischen 1940 und 1945, wie sie im zeitgenössischen Jargon bezeichnet wurden. Während die Polizeiverwaltung Heepen 1940 erst einige wenige Verstöße registrierte, machten sie 1941 bereits 63 von 117 Fällen aus, 1942 68 von 94, 1943 84 von 118 und 1944 224 von 246. Während das Zwangsgeld 1940 noch 5 RM betrug, wurden seit 1941 zwischen 20 und 25 RM erhoben und 1945 gar 50 RM, wobei diese im März 1945 geforderten Zwangsgelder nicht mehr eingezogen wurden. Bei den Einheimischen waren Verstöße gegen Verdunkelung häufig genannte Bestrafungsgründe, während Jugendliche, die zu nächtlicher Stunde aufgegriffen wurden, mit einem Wochenendarrest rechnen mussten.
Die „Fremdarbeiter”, gegen die Zwangsgelder verhängt worden waren, wurden von den Polizeibehörden im Landkreis Bielefeld als „polnische” oder „russische Zivilarbeiter” oder als „Ostarbeiter” bezeichnet, von denen die meisten ihren Wohnort nicht im Amtsbezirk hatten, sondern in entsprechenden Lagern der Firmen Anker, Phoenix, Wittkopp, Ravensberger Spinnerei, Kochs Adler oder Dürkoppwerke untergebracht waren. Nach den „polnischen Zivilarbeitern” der ersten Generation, die sich freiwillig gemeldet hatten und v.a. in der Landwirtschaft eingesetzt worden waren, handelte es sich bei den „Ostarbeitern” zum Teil um jugendliche Männer und Frauen, die nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 aus den westlichen Regionen (Ukraine und Weißrussland) anfangs formal freiwillig angeworben wurden, in der Regel aber zwangsweise verschleppt worden waren.

Hintergrund des sogenannten „Fremdarbeitereinsatzes” in der deutschen Industrie war der durch die Rekrutierung von Soldaten entstandene eklatante Arbeitsmangel, von dem auch die Rüstungsproduktion stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Im März 1942 war Fritz Sauckel, Gauleiter von Thüringen, zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz” ernannt worden. Dieser forderte die Arbeitsämter auf, verstärkt in verbündeten und von Deutschland besetzten Ländern Arbeitskräfte anzuwerben, was bis dahin auch schon zeitweise geschehen war. Auf diesem Weg nahmen Männer aus Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich, Italien, aber auch aus dem Baltikum in Deutschland die Arbeit auf. In Weißrussland und der Ukraine, wo auch die Aufrufe der Arbeitsämter erfolgten, wurde dagegen massiver Zwang eingesetzt. Ehemalige Zwangsarbeiterinnen berichteten, dass sie aus ihren Wohnungen heraus zum Bahnhof gebracht und mit Güterwaggons ins Reichsgebiet verschleppt wurden. Manche konnten sich nicht mehr von ihren Familien verabschieden. Sie hatten den Eindruck, dass sie an den Zielbahnhöfen an deutsche Firmen „verkauft” wurden. In Deutschland bildeten sich „markante Züge einer modernen Sklavenhaltergesellschaft” heraus, wie es Hans-Ulrich Wehler in seiner Gesellschaftsgeschichte formulierte. In den Firmen herrschte eine vierstufige „rassische Hierarchie” vor, die von deutschen Arbeitern angeführt wurde. Ihnen unterstellt waren auf der zweiten Ebene die „germanischen Arbeiter” wie Holländer, Flamen oder Dänen. An dritter Stelle rangierten „slawischen Arbeiter”, also v.a. Arbeitskräfte aus Polen, der Sowjetunion und Tschechoslowakei. Unter ihnen standen jüdische Arbeitskräfte, die aber mit Beginn der Deportationen im Herbst 1941 in die Ghettos und Vernichtungslager Mittel- und Osteuropas zunehmend aus den Fabriken des Deutschen Reiches vertrieben wurden.
Der zunehmende Einsatz von „Fremdarbeitern im Deutschen Reich” machte sich auch in der Stadt und im Landkreis Bielefeld bemerkbar. So meldete im Oktober 1940 die Amtsverwaltung Brackwede, dass in ihrem Bezirk an „fremdvölkischen Personen […] 130 Holländer, 81 Belgier, 35 Jugoslawen, 29 Italiener, 14 Schweizer, 155 Polen, 5 Schweden, 4 Ungarn, 3 Rumänen, 3 Estländer, 2 Amerikaner, 1 Lettländer, 1 Franzose, 8 Tschechen und 12 Staatenlose” registriert seien. Das Amt konnte über die „rassische Zugehörigkeit” der Ausländer, die von SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln, dem „Beauftragten des Reichskommissars für die Festlegung deutschen Volkstums” ausdrücklich nachgefragt wurde, keine Aussagen treffen. Der Rassenwahn, der seit den Nürnberger Gesetzen die NSDAP und deutsche Gesetzgebung in Atem hielt, schlug sich auch im Umgang mit „Fremdarbeitern” nieder. Im Februar 1942 wandte sich die Leitstelle der Gestapo (Münster) in einem Rundschreiben an die Städte und Landkreise und forderte, dass die „geschlossene Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte […] möglichst überall durchzuführen” und „die Deutsche Arbeitsfront hinsichtlich der Unterbringung […] in geschlossenen Lagern zu beteiligen” sei. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den Stadt- und Landkreisen Bielefeld, Halle und Wiedenbrück 26 Lager. Im Oktober 1942 waren es bereits 100 Lager, wovon sich 45 Lager mit etwa 3.400 Menschen in Bielefeld befanden. Im April 1943 erhöhte sich die Gesamtzahl auf 206 Lager, von denen sich 134 (Stand: 1.6.1943) in Bielefeld befanden. Insgesamt gab es in Bielefeld während des Zweiten Weltkriegs 176 Lager, in denen ausländische Arbeitskräfte untergebracht waren. Bielefeld lag damit im Trend des Deutschen Reichs: „Der Beginn des Masseneinsatzes von ausländischen Arbeitern”, so stellt Hans-Jörg Kühne fest, ist „ab dem Jahr 1942 zu datieren.”

Zum größten Arbeitgeber avancierten die Dürkoppwerke, die in ihren Werken in Bielefeld und Künsebeck zeitweise bis zu 3.000 „Fremdarbeiter” beschäftigten; in Bielefeld waren sie im größten Lager der Stadt im Lager Bethlem (oder auch Bethlehem) auf dem Johannisberg und im Lager Fichtenhof untergebracht. Jeweils mehr als 1.000 ausländische Arbeitskräfte wurden in den Brackweder Firmen Ruhrstahl-Presswerke und Kammerich-Werke beschäftigt, jeweils mehr als 600 bei Kochs Adler, Anker und Benteler. Die Eisengießerei Tweer in der Senne beschäftigte mindestens 320, Miele in Bielefeld etwa 300 und Gildemeister 280 „Fremdarbeiter”. Bei diesen metallverarbeitenden Fabriken handelte es sich um Unternehmen, die auch in der Rüstungsindustrie tätig waren. Die Mehrzahl der „Fremdarbeiter”, die nichts anderes als Zwangsarbeiter waren, kam aus der Sowjetunion. Unter ihnen bildeten Männer und Frauen aus der Ukraine die größte Gruppe. Die Behörden weigerten sich jedoch, die „Ukraine” als Herkunftsland zu nennen, sondern forderten, „Polen” oder „Russland” in die entsprechenden Listen einzutragen. Die „russischen Zivilarbeiter” mussten das diskriminierende „OST-Abzeichen” an ihrer Kleidung tragen.
In den metallverarbeitenden Fabriken mussten Zwangsarbeiter in der Regel in zwölfstündigen Wechselschichten arbeiten. Die Gefahr, bei nicht erbrachter Leistung bestraft zu werden, schwebte wie ein Damoklesschwert über ihnen. Als Zwangsarbeiterinnen 1942/43 bei Dürkopp ihre Arbeit aufnahmen, wurde ihnen durch eine Dolmetscherin mitgeteilt, dass es ihnen gut gehen werde, wenn sie gut arbeiteten, aber ins KZ geschickt werden, wenn sie schlecht arbeiteten. Als 1945 Zwangsarbeiter der Ruhrstahl-Presswerke ihre Arbeit niederlegten, weil sie in ihrer Suppe Würmer fanden, wurde eine Frau, als Rädelsführerin verdächtigt, noch auf dem Firmengelände ausgepeitscht und anschließend zur Gestapo nach Bielefeld gebracht und schwer misshandelt. Die Gestapo wollte von ihr wissen, wer den Streik organisiert hatte. Es war der Hunger. Die erniedrigte Frau wurde ins Fabriklager zurückgebracht und musste die Arbeit wieder aufnehmen.

Der Hunger, die regelmäßige Mangelernährung war eine kollektive Erfahrung, die fast alle Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter machten, die nicht bei Bauern arbeiteten. Zwar gab es Ernährungslisten, wie sie beispielsweise von der Brackweder Firma Arntzen-Leichtbau KG überliefert sind, doch die Realität hielt sich nicht an den gedruckten Vorgaben. So wurde nicht selten das knapp bemessene Brot wöchentlich in ein bis zwei Portionen ausgegeben. Wer aufgrund des Hungers zu viel aß und demzufolge das Brot nicht einteilte, der hatte an den darauffolgenden Tagen nichts zum Frühstück. Zum Mittag gab es häufig Spinat-, Kohl- oder Rübensuppen, über deren Qualität viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen rückblickend klagten. Der Hunger trieb die Menschen in den Landkreis Bielefeld, wo sie versuchten, bei Bauern Lebensmittel zu kaufen oder zu erbetteln. Nicht wenige wurden von der Polizei aufgegriffen und, wie eingangs geschildert, mit Zwangsgeldern bestraft. Die Parteiführung der NSDAP und Behörden warfen den Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern vor, die einheimische Bevölkerung zu belästigen. Aus ihren Berichten geht aber auch hervor, dass es viele Einheimische gab, die den Fremden halfen. So wurden in Oldentrup, Hillegossen und Ubbedissen Zwangsarbeiterinnen aus Bielefeld mit gefüllten Kartoffelsäcken aufgegriffen. Das passte nicht in das Bild der braunen Machthaber. Genau so wenig wie jene deutschen Arbeiter, die in den Fabriken ihr Pausenbrot so platzierten, dass es von den „Fremdarbeitern” gefunden wurde. Manche gaben ihnen auch Kleidung. Wer erwischt wurde, dem drohten bis zu sechs Monate Gefängnis, in der Regel ohne Gerichtsurteil. Ein Klima der Angst sollte Deutsche davon abhalten, ausländischen Arbeitskräften zu helfen.
Mangelernährung und unzureichende Hygiene in den Lagern schlugen sich auch in den Sterberegistern der Standesämter nieder. In der Stadt Bielefeld und im Amt Brackwede, wo die meisten Zwangsarbeiter beschäftigt waren, nahmen seit 1943 die Todesfälle von „Ostarbeiterinnen” und -arbeitern dramatisch zu, die an Lungentuberkulose gestorben waren. Im Februar 1945 werden in Brackwede zudem überproportional viele „Ostarbeiter” und Italiener genannt, die „durch Feindeinwirkung gefallen” waren; sie waren bei einem Luftangriff am 24. Februar ums Leben gekommen. „Fremdarbeitern” war in der Regel der Zugang zu öffentlichen Luftschutzeinrichtungen verboten. Und nicht zuletzt tauchen in den Sterberegistern Säuglinge von „Ostarbeiterinnen” auf, die im ersten oder zweiten Lebensjahr an „Ernährungsstörungen” oder „Lebensschwäche” gestorben waren. Schwangere Zwangsarbeiterinnen mussten zur Entbindung das Andreaskrankenhaus in Neuhaus/Paderborn oder, was häufiger geschah, das Krankenhaus in Waltrop aufsuchen. Nur wenn die Wehen überraschend einsetzten, durften sie im Städtischen Krankenhaus an der Teutoburger Straße oder im Brackweder Möllerstift entbinden.

Die Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, die zwischen 1940 und 1945 in Bielefeld arbeiteten, waren sehr jung. Viele waren nicht einmal 20 Jahre alt, als sie die Arbeit aufnahmen, kaum einer war älter als 30. Vor allem junge Menschen haben den Wunsch und die Fähigkeit, ihre Jugendlichkeit zu leben. Aus Heepen wird berichtet, dass Ostarbeiter der Fahrradfabrik Rixe regelmäßig das Frauenlager der Bastertwerke besuchten. An Samstagnachmittagen und Sonntagen wurde im größten Lager auf dem Johannisberg musiziert und getanzt. Französische Kriegsgefangene nahmen daran genauso teil wie tschechische, russische und ukrainische Zwangsarbeiterinen und -arbeiter. Ein Mann, der im Dürkopplager in Künsebeck untergebracht war, berichtete, dass an manchen Wochenenden Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter aus Brackwede und Bielefeld in den Landkreis Halle kamen. Trotz Verbot. Weil es, wie aus den Berichten zu lesen ist, von den Lagerleitungen geduldet wurde. Aus Heepen wird berichtet, dass Silvester 1944/45 Zwangsarbeiter von Bastert und Rixe zwei Tage lang auf einem Hof in Eckendorf feierten. Weil aus der Sicht der Lagerleitungen die Feiern ausuferten, wurden einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei ihrer Rückkehr gerügt, aber nicht bestraft. Auch wird über regelmäßige Begegnungen von bis zu zwanzig Männern und Frauen in den Waldstücken rund um Heepen berichtet, bei denen es zu sexuellen Kontakten kam. Weil sich Einheimische über dieses „unmoralische Verhalten” beschwerten, wurde die Polizei aufgefordert, das zu unterbinden. Die aus den Berichten sprechende Freizügigkeit darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um Zwangsarbeit gehandelt hatte und den Menschen ständig Gefahr für Leib und Leben drohte.

Der Zweite Weltkrieg endete in Bielefeld am 4. April 1945. Es war ein Tag der Befreiung. Nicht wenige ehemalige Zwangsarbeiter nutzten ihre Freiheit, um sich das zu holen, was ihnen jahrelang vorenthalten wurde. Manche mögen auch an Rache gedacht haben. Der Nachlass Kühlwein im Stadtarchiv dokumentiert solche Berichte. Angesichts der mehr als 16.000 ausländischen Männer und Frauen, die zwischen 1940 und 1945 zwangsweise in Bielefeld arbeiten mussten, stellen die dokumentierten Fällen, die mit Sicherheit viele Deutsche erschreckten und nachhaltig ihr Bild von den „Fremdarbeitern” prägten, nur Marginalien dar. Die meisten Zwangsarbeiter wurden 1945 repatriiert und mussten in der Sowjetunion erfahren, dass ihrem erlittenen Unrecht nicht geglaubt wurde. Als Verräter verunglimpft, die dem Hitlerregime durch ihre Arbeit halfen, wurden sie nicht selten bestraft, in der Ausbildung behindert oder in andere Landesteile der Sowjetunion verbannt.
Quellen
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 101,12/Geschäftsstelle XII, Nr. 798: Zweites und drittes Polizei-Revier: Fremd- und Zwangsarbeiter (1933-1948)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,2,20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 300 (Bielefeld), 301 (Brackwede), 305 (Heepen): Sterberegister
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 130,2/Amt Brackwede, Nr. B 131: Polnische Zwangsarbeiter (1940-1945)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 130,2/Amt Brackwede, Nr. B 1064: Zwangsarbeiter (1940-1944)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 130,3/Bestand 130,3/Amt Dornberg, Nr. 2021: Strafliste (1931-1945)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 130,3/Bestand 130,3/Amt Dornberg, Nr. 2025: Strafverfügungen der Polizei des Amtes Dornberg (1937-1942)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 130,4/Amt Heepen, Nr. 106: Kriegsgefangene, ausländische Arbeitnehmer (1941-1945)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand130,4/Amt Heepen, Nr. 4291: Strafliste für die Polizeiverwaltung Heepen (1932-1945)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 200,43/ Nachlass Kühlwein, Nr. 1-5: Die Vorgänge in und um Bielefeld 1945, Augenzegenberichte
Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,46/Fischer und Krecke, Nr. 66: Fotos (1912-1960) - Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,11/Kriegschronik der Stadt Bielefeld (1939-1944)
- Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung
- Alltag Zwangsarbeit 1938-1945. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit der Stiftung Topographie des Terrors, Berlin 2013
- Wolfgang Herzog, Das Zwangsarbeiterlager Bethlem auf dem Johannisberg. Zur Geschichte des Lagers und seiner Bewohnerinnen und Bewohner, in: Ravensberger Blätter 2010, Heft 1, S. 26-48
- Uwe Horst, Zwangsarbeit bei Arntzen-Leichtbau KG/Brackwede, in: Ravensberger Blätter 2007, Heft 2, S. 37-50
- Volkhard Knigge u.a. (Hg.), Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg, Weimar 2010
- Hans-Jörg Kühne, Kriegsbeute Arbeit. Der „Fremdarbeitereinsatz” in der Bielefelder Wirtschaft 1939-1945, Bielefeld 2002
- Jochen Rath (Red.), Vier Wochen im September. Die Stadtgesellschaften Rzeszów und Bielefeld 1939, Bielefeld/Rzeszów 2012, S. 32-36
- Reinhard Vogelsang, Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 3: Von der Novemberrevolution 1918 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2005, S. 292-298
- Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949, München 2003
Erstveröffentlichung: 01.03.2015
Hinweis zur Zitation:
Wagner, Bernd. J., 9. März 1940: „Polnische Zivilarbeiter“ sollen in der Bielefelder Landwirtschaft eingesetzt werden, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld, https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2015/03/01/01032015, Bielefeld 2015