6. November 1901: Weihe der Johanniskirche an der Siegfriedstraße

• Dagmar Giesecke, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek •

 

„Am 6. November 1901 wurde nach einer Bauzeit von 2 Jahren die Johanniskirche geweiht. […] Der Name der Kirche wurde von dem nahegelegenen Johannisberg gewählt, einem ehemaligen Besitztum der Stiftskirche des benachbarten Schildesche“, beschreibt die Festschrift „Zum Gedächtnis an die 25. Wiederkehr des Weihetages der ev. Johanniskirche Bielefeld.“

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Grundsteinlegung der Johanniskirche am 27. Mai 1900; Stadtarchiv Bielefeld, Festschrift zur 25. Wiederkehr des Weihetages

Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts reichten die seit dem Mittelalter vorhandenen Kirchen in Bielefeld für die sonntäglichen Gottesdienstbesuche der evangelisch-lutherischen Altstädter Nicolaigemeinde und der Neustädter Kirchengemeinde sowie der evangelisch-reformierten Gemeinde mit der Süsterkirche und auch der katholischen Gemeinde mit der Klosterkirche aus. Mit dem Beginn der Industrialisierung kamen Arbeitskräfte vermehrt in die Stadt, um vor allem in den Spinnereien, Webereien, Maschinen- und Werkzeugfabriken zu arbeiten. Damit verbunden war ein steter Anstieg der Bevölkerung und der Gottesdienstbesuche vor allem in den evangelisch-lutherischen Gemeinden. Zwischen 1871 und 1901 erhöhte sich die Anzahl der Geistlichen sprunghaft von vier auf 13. Die Altstädter Nicolai-Gemeinde als größte Kirchengemeinde ließ deswegen 1881 in der nordöstlichen Feldmark den Grundstein für eine Tochter- Kirche legen. Zwei Jahre später weihte der Generalsuperintendent Gustav Nebe die Pauluskirche. Die reformierte Kirche veränderte sich ebenfalls. Durch den Anbau eines Querschiffes und eines Chores erfuhr das Gotteshaus eine erhebliche Erweiterung der Sitzplätze.

Noch bevor sich 1895 sich die Johannisgemeinde als zweite Tochter der Nicolaigemeinde in der nordwestlichen Feldmark gründete, schenkte 1891 der Rentner Conrad Prigge der Kirche 10 000 Reichsmark, um den Kauf eines Kirchengrundstücks an der Siegfriedstraße zu ermöglichen. Noch war die Straße wenig bewohnt. Rege Bautätigkeit ließ die Einwohnerzahl auch in diesem Umfeld in die Höhe schnellen. Mit fast 4450 Gemeindemitgliedern und mit weiter steigenden Zahlen war zu rechnen, weshalb das Presbyterium der Johannisgemeinde am 22. April 1898 den Bau einer eigenen Kirche beschloss. Drei Monate später wurden die notwendigen Vorarbeiten dem Bauausschuss übertragen. Entscheiden musste er zuerst über das zu verwendende Baukapital. Aber auch die Frage nach dem Baustil, dem Material und der Größe musste geklärt werden.

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Grundsteinlegung der Johanniskirche am 27. Mai 1900; Stadtarchiv Bielefeld, Festschrift zur 25. Wiederkehr des Weihetages

Im Spätherbst machten Mitglieder des Bauausschusses sich zudem außerhalb von Bielefeld ein Bild neuer moderner evangelischer Kirchbauten und erarbeiteten ein so genanntes Bauprogramm, u. a. mit folgenden Punkten: Die Kirche soll circa 1000 Plätze bieten, von jedem Sitzplatz aus sollen die Gemeindemitglieder den Pfarrer vor dem Altar und auf der Kanzel gut verstehen und sehen können. Die Orgel mit 15 bis 20 Registern muss gegenüber dem Altar auf einer Orgelbühne plaziert werden, damit auch hier zwischen Pfarrer und Organist kommuniziert werden konnte. Danach konnte noch Ende des Jahres der Wettbewerb ausgeschrieben werden. Daran teilnehmen durften alle evangelischen Architekten aus Bielefeld und Gadderbaum. Zwölf Entwürfe wurden eingereicht und das Preisgericht entschied sich am 10. Mai 1899 im Saal des Rathauses. Anwesend waren neben den beiden Professoren des Preisgerichtes Mohrmann und Stier aus Hannover auch die Mitglieder des Bauausschusses Kirchmeister Fritz Bertelsmann, Oberbürgermeister Gerhard Bunnemann, Pastor Franz Hackländer, Pastor Friedrich Lappe sowie Lehrer Carl Obermeier und Fabrikant Ernst Rein.

Der erste Preis entfiel auf den Architekten Alex Trappen aus Bielefeld. Damit verbunden war ein Preisgeld von 1800 RM. „Der Entwurf stellt eine klare zweischiffige Anlage dar, welche alle Forderungen […] zu lösen verstanden hat. Das Kirchenschiff eignet sich seiner Form nach sehr gut zur Anlage einer einfachen Holzdecke, der Bau ist auf dem Grundstück in passender Weise belegen, ebenso befriedigt die Architektur ebenso sehr durch ihre Gesamtordnung, wie durch ihre Einzelausbildung. […]”, begründete das Preisgericht seine Entscheidung. Nach einigen Änderungen stimmte die erweiterte Gemeinde am 6. Juni 1899 einstimmig dem Entwurf zu und bewilligte die Bausumme von 170 000 RM. Der Bauantrag konnte bei der Stadt eingereicht werden.

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Die im Bau befindliche Johanniskirche im Frühjahr 1901; Stadtarchiv Bielefeld, Festschrift zur 25. Wiederkehr des Weihetages

Nachdem die Erd- und Maurerarbeiten an die Firma Wilhelm Klarhorst vergeben worden war, erfolgte der erste Spatenstich am 6. Dezember 1899. Schnell waren die ersten Mauern hochgezogen, so dass die Grundsteinlegung am 27. Mai 1900 feierlich begangen werden konnte. „Der Bauplatz war mit Fahnen und Guirlanden geschmückt. Auch die Bewohner der Häuser um den Johanniskirchplatz hatten durch reichen Flaggenschmuck, Kranzgewinde, aufgestellte Maien, und über die Straße gezogene Guirlanden ihrer Mitfreude schönen Ausdruck gegeben. Eine große Menschenmenge hatte sich innerhalb der Grundmauern der Kirche und auf denselben versammelt”, beschreibt die Festschrift zur Einweihung der Johanniskirche von 1901.

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Die Johanniskirche mit enger Bebauung im Januar 1956; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 14-008-001

Die Bauabnahme tätigte der Königliche Baurat Ludwig Büchtling am 28. September. Der Architekt Trappen konnte am 6. November 1901, dem Todestag des Schwedenkönigs Gustav Adolf, der feierlichen Einweihung seines Werkes im Festgottesdienst beiwohnen. „Es war eine zweischiffige, aber unsymetrische Kirche im neoromanisierenden Stil erbaut worden. Eine Höhe von über 57 m weist der Turm bis zum Turmkreuz aus. In vier Stockwerken kann er erklommen werden. Johannes Hoffmann aus der Stadt Werl gestaltete den gesamten Innenraum mit ‚vollen, satten Farben’ aus.”, wie in der Festschrift zum 100. Geburtstag zu lesen ist. „Es erübrigt noch, die Pflicht herzlicher Dankbarkeit zu erfüllen. Die Erbauung der Johanniskirche ist von Anfang an von warmem Interesse der Gemeindemitglieder begleitet worden. Dies hat in manchen Stiftungen einen schönen Ausdruck gefunden. […] Es stifteten: 1. Für bestimmte Gegenstände: 1. Der Rentner Gottfried Brockmann für die Abendmahlsgeräte und für das Altar-Kruzifix und die Altarleuchter 1500 Mk […] Frau Weithöner für die Kanzelbibel 30 Mk […] Die Firma A. W. Kisker zwei Abendmahlsdecken aus Damast, zwei Altartücher, zwei Taufsteintücher, zwei Paar Altarschrankendecken und ein Belum aus Leinen”, weitere Stifter werden in der Festschrift von 1901 aufgeführt. 1926 beging die Johannisgemeinde das 25. Jubiläum ihrer Kirche. Zu diesem Ereignis gab es eine grundlegende Renovierung und Veränderung des Innenraumes. Im Chorraum wurden die Fenster zugemauert und mit einem riesigen Gemälde versehen. „Die Altstadtgemeinde will ihrer Tochter als Festgeschenk zu dem Gedenktag das Gotteshaus neu ausmalen lassen. Das danken wir ihr von Herzen. Es war von vornherein wenig Farbe in unsere Kirche gekommen, und dies Wenige an Ausmalung war durch Feuchtigkeit und durch die Anlage der elektrischen Beleuchtung im Laufe der letzten Jahre noch weiter beschädigt”, beschreibt die Festschrift von 1926. Mit der Umgestaltung beauftragte man den Düsseldorfer Kirchenmaler Heinrich Rüter. Ein weiterer Grund war, dass offensichtlich dem Gotteshaus der zentrale Punkt fehlte. Auch der üppig gestaltete Altar hatte wohl keine gebührende Beleuchtung. Darüber hinaus erhielten auch weitere Teile des Innenraumes eine neue Bemalung und die Orgel wurde umgebaut.

Eine weitere gravierende Veränderung erfuhr das Gotteshaus 1937. Der Altar wurde entfernt und durch einen schlichten Tisch inklusive eines vergoldeten Kreuzes, entworfen und gearbeitet von Prof. Arnold Rickert, ausgetauscht. Nur elf Jahre später erfolgten die nächsten Veränderungen. Die Empore wurde erweitert und ein weiteres Mal Hand an die Orgel gelegt. Der stete Wandel der Kirche setzte sich auch 1962 fort. Die Gemeinde hatte sich zu grundlegenden Umbauten des Innenraumes entschlossen. Das aus dem Jahr 1926 stammende Himmelfahrtsgemälde aus dem Chorraum wurde nun schlicht weiß übermalt und Prof. Rickert gestaltete eine Christusplastik aus vergoldetem Birkenholz, die den Altar schmücken sollte. Damit aber noch nicht genug. Man entfernte ebenfalls die Kanzel, baute in die Südwand fünf modern gestaltete Kirchenfenster der Kunsterzieherin und Religionspädagogin Hilde Ferber ein und erneuerte den Fußboden des Chores sowie die Treppenstufen. Die Kleukerorgel von 1901 hatte 1975 endgültig ausgedient.

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Die Konfirmanden werden vom Pfarrer in die Kirche geführt, 1963; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 14-008-004

Trotz der steten Umgestaltung stellte die Stadt Bielefeld 1985 die Kirche unter Denkmalschutz. Eine Spende von 50 000 DM machte es 1988 möglich, die ehemals im Chorraum vorhandenen Fenster neu entstehen zu lassen. Den Entwurf, Szenen aus der Offenbarung des Johannes, lieferte der Unnaer Künstler Wilhelm Buschulte und den Einbau erledigte die Paderborner Glaserei Peters. Die würdige Einweihung wurde im Rahmen eines Festgottesdienstes gefeiert. Für die Christusplastik von Prof. Rickert hatte die Gemeinde nun keine Verwendung mehr, so dass sie mit Unterstützung des landeskirchlichen Bauamtes einer Kirchengemeinde in Sandersleben im Bundesland Sachsen-Anhalt geschenkt werden konnte. Seither sind keine nennenswerten Umbauten geschehen, aber es wird schon wieder laut darüber beratschlagt. Neben der notwendigen Sanierung des Kirchturmes denkt die Gemeinde an eine weitere Veränderung im Innenraum. Im Mittelschiff möchte sie im vorderen Teil die Kirchbänke entfernen, um Platz für neue Gottesdienstformen zu finden.

 

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,1/Westermann-Sammlung, Nr. 5
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Foto-Sammlung, Nr. 14-008-001, 14-008-004

Literatur

  • Lappe, Friedrich, Die evangelische Johanniskirche zu Bielefeld. Festschrift zu ihrer Einweihung am 6. November 1901
  • Zum Gedächtnis an die Wiederkehr des Weihetages der ev. Johanniskirche Bielefeld am 6. November 1926
  • Zweimal 100 Jahre: Johanniskirche, Erlöserkirche. Wir feiern, 2000

 

Erstveröffentlichung: 1.11.2011

Hinweis zur Zitation:
Giesecke, Dagmar, 6. November 1901: Weihe der Johanniskirche an der Siegfriedstraße, https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2011/11/01/01112011/, Bielefeld 2011

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