6. Dezember 1925: Der Unternehmer, Politiker und frühere Minister Theodor Adolf von Möller stirbt auf Gut Kupferhammer, Brackwede

• Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek •

 

„Ausgestattet mit der zähen Willenskraft des Westfalen, mit grossen Erfahrungen als Kaufmann und Industrieller und mit glühender Vaterlandsliebe hat der Verstorbene stets über den Rahmen seines beruflichen Wirkens hinaus sein starkes Können und seinen wertvollen Rat dem Gemeinwohl gewidmet“, ehrte die IHK Bielefeld in einem Nachruf ihren Mitbegründer, den früheren Reichstagsabgeordneten und Handelsminister Theodor Adolf von Möller, der am 6. Dezember 1925 in Kupferhammer verstorben war.

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Theodor Adolf von Möller (1840-1925), Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 61-13-15

Möller war am 10. August 1840 als Sohn von Friedrich (1805-1878) und Henriette Friederike (1808-1848) Möller geboren. Der Vater betrieb seit 1827 in Brackwede eine Gerberei und Lederfabrik, die Mutter entstammte der bekannten Bielefelder Kaufmannsfamilie Woermann, verstarb aber früh. Theodor Adolf Möller besuchte den Realzweig des Bielefelder Ratsgymnasiums und danach eine Handelsschule in Osnabrück. Im Anschluss an drei Lehrjahre bei der Firma Woermann in Hamburg absolvierte der „Lange Möller“, wie er aufgrund seiner Statur genannt wurde, ab 1860 eine weitere kaufmännische Ausbildung in London und Liverpool und betrieb nebenbei technische und naturwissenschaftliche Privatstudien. Nach Möllers Rückkehr aus England wollte der Vater die Geschäftsführung seiner Gerberei und Lederfabrik allerdings noch nicht abgeben. Deshalb gründete Theodor Adolf Möller mit seinem drei Jahre älteren Bruder Dr. Karl Möller (1837–1918) 1863 in Kupferhammer die „Maschinen- u. Dampfkesselfabrik K. & Th. Moeller“. Die drei Abteilungen Maschinenfabrik, Kesselschmiede und Eisengießerei nahmen im Januar 1864 ihren Betrieb auf. Nach verhaltenem wirtschaftlichen Auftakt florierte das Unternehmen erst ab 1880, obwohl es um 1870 bereits 200 Mitarbeiter beschäftigt und auch in das Ausland exportiert hatte. Nach dem Tod des Vaters übernahmen die Gebrüder Möller auch die Leitung der Gerberei. Theodor Adolf von Möller war bis Mitte der 1890er Jahre in der Geschäftsleitung tätig, zog sich dann aber aufgrund seines politischen Engagements zurück, so dass das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt wurde. Sein privates Glück fand Möller mit Karoline Eleonore Tiemann (1853-1935). Aus der 1872 geschlossenen Ehe gingen neun Kinder hervor.

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Das Werk in Kupferhammer bei Brackwede; 1920; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,2/Briefköpfe, Nr. 321

Möller hatte bis zu seinem Einstieg in die Politik bereits etliche Vorstands- und Aufsichtsratsposten angenommen. Als ein Pionier bei der Kohledestillation und der technischen Nutzung von Aktivkohle hatte er 1881 die „Aktiengesellschaft für Kohledestillation“ in Essen mitgegründet und war zunächst bis 1901 und danach von 1909 bis 1925 Aufsichtratsvorsitzender. Ferner fungierte er in führenden Aufsichtsrat-Positionen u.a. der Commerz- u. Discontobank (ab 1908), der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld und der Westfälischen Bank. Zahlreiche Gründungen, Mitgliedschaften und Vorstandstätigkeiten in Unternehmerverbänden sind Möller zuzurechnen, so. u.a. im Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, der zunächst den Ausbau der Verkehrswege, bald Schutzzölle und später Monopole für den eigenen Wirtschaftsraum anstrebte. Otto von Bismarck (1815-1898) bezeichnete diese Vereinigung nicht zu Unrecht als „Langnamverein“. Möller gründete die Handelskammer zu Bielefeld mit, wirkte in Bezirkseisenbahnräten, im Centralverband Deutscher Industrieller und in verschiedenen Kolonialgesellschaften, aber auch im „Verein für Socialpolitik“, der zwischen einem ausbeuterischen Manchesterkapitalismus und einem als Agitation empfundenen Sozialismus ausgleichend wirken und eine staatlich gelenkte Sozialpolitik verwirklichen wollte. Ab 1905 war er schließlich noch Vorsitzender der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, die sich eher theoretisch diesen Bestrebungen zuwandte.

Sein politisches Engagement hatte er gewissermaßen von seinem Vater geerbt, der wiederum von 1850 bis 1855 und 1859 bis 1861 Mitglied des Abgeordnetenhauses in Preußen gewesen war. Die von ihm vertretene Nationalliberale Partei blieb indes in Bielefeld zunächst weitgehend unbedeutend, erst 1887 konnte sie einen eigenen Kandidaten im Wahlkreis aufstellen. Erstmalig zog Theodor Adolf von Möller 1890 nach einer Stichwahl in den Reichstag ein, als er sich im Wahlkreis Dortmund (Arnsberg 6) für die Nationalliberale Partei gegen die Hauptkontrahenten des Zentrums und der Sozialdemokraten durchgesetzt hatte. Die Wiederwahl gelang ihm 1893, 1895 aber unterlag er dem SPD-Bewerber Franz Lütgenau, war allerdings für den Wahlkreis Bielefeld-Herford-Halle im Abgeordnetenhaus tätig. Im Juni 1898 kehrte Möller für drei Jahre wieder zurück in den Reichstag, nachdem er im Wahlkreis Duisburg (Düsseldorf 6) erfolgreich kandidiert hatte. Bis 1901 gehörte er auch dem Vorstand der nationalliberalen Fraktion an. Sein politisches Hauptbetätigungsfeld war die Wirtschafts- und Sozialpolitik. So widmete er sich umgehend der Beratung und Durchbringung der Arbeiterschutzgesetze und erreichte Kompromisse für verschiedene bilaterale Handelsabkommen, die im Reichstag zu scheitern drohten. 1899 verbuchte er sogar einen außenpolitischen Erfolg, als dank seiner Vermittlung die Beschlagnahme dreier deutscher Postdampfer durch England im Burenkrieg ohne größere diplomatische Verwicklungen und Eskalationen zu einem glimpflichen Ende gebracht werden konnte.

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Visitenkarte des Theodor Adolf von Möller, 1890; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,6/Autographen, Nr. 608

Im Mai 1901 krönte Möller seine politische Karriere, als er in der Reichsregierung des Reichskanzlers Fürst Bernhard von Bülow (1849-1929) zum Handelsminister avancierte. Seine politischen und unternehmerischen Vernetzungen, seine erfolgreiche Verbandstätigkeit sowie sein bewiesenes Vermittlungsgeschick brachten den anerkannten Wirtschaftsfachmann Möller im Rahmen einer Kabinettsumbildung auf diesen Posten. Das Handelsministerium war zwar zugunsten des Arbeitsbereichs des Staatsekretärs des Innern entwertet worden, gab Möller dennoch hinreichend Chancen der politischen Entfaltung. Umgehend brachte er die Zolltarifverhandlungen der größeren Bundesstaaten in einer Konferenz zu einem Ende und durch den Reichstag. Möller widmete sich Gewerbeangelegenheiten, die in sein Ressort fielen, ebenso wie dem gewerblichen Schulwesen, die in seiner Amtszeit zu obligatorischen Fortbildungsschulen umgewandelt wurden und neue Zweige wie z.B. staatliche Handels- und Gewerbeschulen für Mädchen erhielten. Das Handwerk stärkte er durch die Einrichtung von Meisterkursen und Musterwerkstätten in den Fachschulen. Während seiner Amtszeit entwickelte er ein ausgeprägtes Interesse für das Montanwesen. Über die Enteignung der Ruhrgebiet-Zechen wollte Möller ab 1902 den staatlichen Einfluss auf Arbeiterverhältnisse, Preisgestaltung und Versorgung u.a. für die kaiserliche Armee sichern. Der spektakulärste Vorgang umgab die Kohlengesellschaft Hibernia in Gelsenkirchen, die Möller zu verstaatlichen beabsichtigte, indem mit Hilfe der Dresdner Bank und eines zu bildenden Konsortiums sämtliche Aktien aufgekauft werden sollten. Nach ersten Ankäufen stieg der Aktienkurs der Hibernia und das diskret vorbereitete Übernahmeverfahren war nicht mehr länger geheim zu halten. Die offiziellen Verhandlungen scheiterten und es entbrannte eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen der Verstaatlichungsgruppe um Möller und dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat. Möller setzte sich gegen diese Montanindustriellen nur teilweise durch, denn der Staat erwarb zwar 46 % der Aktien, erhielt aber keinen Sitz im Aufsichtsrat. Erst 1917 gelang die vollständige Verstaatlichung. Möller geriet weiter unter Druck: Die im Januar 1905 entbrannten Bergarbeiterstreiks im Ruhrgebiet führten wohl zu einer Novellierung des Berggesetzes, jedoch waren sowohl die Streikenden wie die Bergwerksbesitzer mit den Ergebnissen nicht absolut zufrieden gestellt.

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Nach dem Ende seiner politischen Laufbahn widmete sich von Möller u.a. dem DRK, Bildpostkarte 1914; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 51-5-23

Seit Anfang Januar 1905 kursierten erste Pressemeldungen über ein Ausscheiden Möllers aus der Reichsregierung. Als Möller dann auch noch von seiner früheren Haltung abwich und nunmehr eine staatliche Beteiligung am Kohlesyndikat befürwortete, entzog ihm Reichskanzler von Bülow das Vertrauen. Möller bot seinen Rücktritt an und wurde anlässlich seines Abschieds am 18. Oktober 1905 mit dem erblichen Adeltstitel ausgezeichnet. Nach seiner Demission verfiel er freilich nicht in Untätigkeit, sondern stürzte sich in neue, insbesondere koloniale Vorhaben und auch in soziale Aufgaben u.a. im Roten Kreuz und dessen Gliederungen.

Eine weitere schwere politische Niederlage erlitt von Möller völlig unerwartet bei der Reichstagswahl 1907, der „Hottentottenwahl“. Diese war notwendig geworden, nachdem der Reichstag im Dezember 1906 mehrheitlich einen Nachtragshaushalt für die Kolonialtruppen in Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) abgelehnt hatte, der die Niederschlagung des Aufstand der etwa 20.000 Nama, abschätzig „Hottentotten” genannt, finanziell absichern sollte. Die Mitbewerber von Möllers um das Reichstagsmandat waren im Wahlkreis Bielefeld-Wiedenbrück für die katholische Zentrumspartei Heinrich Humann (1837-1915) und für die SPD der Gewerkschaftssekretär Carl Severing (1875-1952). Humann, der seine 25,04 % vor allem im katholischen Raum Wiedenbrück geholt hatte, scheiterte im 1. Wahlgang. Severing (36,63 %) und von Möller, der mit 38,33 % noch knapp vorne gelegen hatte, mussten in die Stichwahl – und diese endete mit einer Sensation: Severing kehrte das Ergebnis um und erhielt mit 52,9 % die absolute Mehrheit. Offensichtlich waren die katholischen Zentrumswähler nach dem Scheitern ihres Kandidaten Husemann ausgerechnet zum Sozialdemokraten Severing übergegangen. Verantwortlich dafür waren Absprachen zwischen dem Zentrum und der SPD und auch das ungeschickte Auftreten der nationalliberalen Unterstützer von Möllers, die mit markigen, stark nach vergangen geglaubtem antikatholischem Kulturkampf klingenden Parolen die Zentrumswähler verschreckten und in die Arme der SPD trieben. Möller selbst hatte keine kulturkämpferischen Tendenzen erkennen lassen und war damit auch ein Opfer einer falschen Wahlkampftaktik geworden.

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Ankündigung von Wahlkampfveranstaltungen von Möllers, 1907; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,1/Westermannsammlung, Bd. 3

Im Ersten Weltkrieg übernahm von Möller kriegswirtschaftliche Kontrollämter, als er Vorsitzender des Überwachungsausschusses für die Lederindustrie und des Aufsichtsrates für die Kriegsleder–AG wurde. Das Kriegsende bescherte ihm jedoch erhebliche wirtschaftliche Verluste, als die kolonialen Unternehmungen und auch die AG für Kohlendestillation ohne nachhaltige Entschädigung eingingen. Er wandte sich daraufhin noch intensiver sozialen Aufgaben zu, wurde 1921 Vorsitzender des Volksstättenheilvereins im Roten Kreuz und widmete sich besonders dem Schicksal lungenkranker Kriegsbeschädigter und – welch Ironie – starb am 6. Dezember 1925 an den Folgen einer Lungenentzündung.

 

Literatur

  • Haunfelder, Bernd, Die liberalen Abgeordneten des Deutschen Reichstags 1871-1918. Ein biographisches Handbuch, Münster 2004, S. 281
  • Möller, Theodor Adolf von, Geschichte der Firma K. & Th. Möller, G.m.b.H., Maschinenfabrik, Kesselschmiede, Eisengießerei in Brackwede, in: Das Buch der Stadt, im Auftrag des Magistrats der Stadt Bielefeld bearb. von Eduard Schoneweg, Bielefeld 1926, S. 364-372
  • Walther, Heidrun, Theodor Adolf von Möller 1840-1925. Lebensbild eines westfälischen Industriellen, Neustadt/Aisch 1958
  • Walther, Heidrun, Theodor Adolf von Möller, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Bd. 9, Münster 1967, S. 57-79
  • Wibbing, Joachim, Die „Hottentottenwahl” und die Presse. Vor 100 Jahren errang die SPD das Reichstagsmandat in Bielefeld, in: Der Minden-Ravensberger 79 (2007), S. 22-27

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Geschäftsstelle I, 14,2: Reichstagswahlen (1902-1913)
  • Stadtarchiv Bielefeld, Nr. 300,2/Briefköpfe, Nr. 321: K & Th. Möller G.m.b.H, Maschinenfabrik, Kesselschmiede und Eisengießerei (1913,1920, 1932)
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,6/Autographen, Nr. 608: Theodor Adolf von Möller (Kupferhammer bei Brackwede) an Unbekannt, Enthält u.a.: Visitenkarte (1890)
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,1/Westermannsammlung, Bd. 3: Parteien, Wahlen, Streiks, Zeitungen (1867-1944)
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,1/Westermannsammlung, Bd. 52: Personalien
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 51-5-23: Bildpostkarte „Rote Kreuz-Sammlung 1914“
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 61-13-15: Porträt Theodor Adolf v. Möller

 

Erstveröffentlichung: 01.12.2010

Hinweis zur Zitation:
Rath, Jochen, 6. Dezember 1925: Der Unternehmer, Politiker und frühere Minister Theodor Adolf von Möller stirbt auf Gut Kupferhammer, Brackwede, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld,
https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2010/12/01/01122010/, Bielefeld 2010

 

 

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