• Bernd J. Wagner, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek •
In der Nacht vom 22. auf den 23. Mai 1995 ging bei der Bielefelder Feuerwehr ein Alarmruf ein: Das Bauernhausmuseum brennt! Als die Feuerwehr wenige Minuten später den Brandort an der Ochsenheide erreichte, war das Hauptgebäude nicht mehr zu retten. Das mit Reet gedeckte Dach brannte bereits lichterloh, das Feuer war auf den benachbarten Speicher übergesprungen, den Besucher in westfälischer Mundart nur „Spieker“ nannten. Während beim kleineren Gebäude der Dachstuhl und das obere Geschoss zerstört wurden, brannte das Hauptgebäude, der 1606 errichtete Hof Meier zu Ummeln, bis auf die Grundmauern nieder. Eine volkskundliche Sammlung von unschätzbarem Wert, Möbel, Trachten und Schmuck aus dem Ravensberger Land, die als Dauerausstellung im Bauernhausmuseum zu sehen waren, ging unwiederbringlich verloren. Ein Stück Bielefeld sei vernichtet worden, titelte anderntags die Neue Westfälische. Und Westfalen verlor sein ältestes Freilichtmuseum. Die ersten Überlegungen, in Bielefeld ein Bauernhausmuseum zu errichten, wurden 1907 im Historischen Verein für die Grafschaft Ravensberg diskutiert. Die bevorstehende Feier zur dreihundertjährigen Zugehörigkeit der Grafschaft zu Brandenburg-Preußen sollte aus der Sicht des Vereins zum Anlass genommen werden, der regionalen bäuerlichen Geschichte in einem Freilichtmuseum zu gedenken. Die Stadt entschied sich für ein anderes Projekt: 1909 ließ sie auf dem Altstädter Kirchplatz das Leineweberdenkmal errichten.

Der Historische Verein warb aber weiterhin für ein Bauernhausmuseum und erhielt mit Oberbürgermeister Dr. Rudolf Stapenhorst sowie dem Fabrikanten Arnold Crüwell prominente Förderer des Projekts, die sich für eine volkskundliche Außenstelle des Stadtmuseums auf der Ochsenheide aussprachen. Im Januar 1914 konnten auch die Bielefelder Stadtverordneten überzeugt werden, die in einer kontrovers geführten Sitzung die finanziellen Mittel bewilligten. Der Historische Verein und der Minden-Ravensbergische Hauptverein für Heimatschutz und Denkmalpflege beteiligten sich mit Spenden an den Kosten.

Stadtarchiv Bielefeld, Fotobestand
Rückblickend betrachtet, hätte es nicht verwundern dürfen, wenn der Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 den Bau des Museums vereitelt hätte. Bielefeld hielt jedoch an den Plänen fest und übertrug Stadtbaurat Friedrich Schultz die Bauleitung. Auf Anraten des Volksschullehrers Eduard Magnus entschied man sich für das Haupthaus des Hofes Meier zu Ummeln, das im April 1915 unter der Anleitung von Stadtbaumeister Gustav Herzbruch vorsichtig abgebaut und sofort auf der Ochsenheide wieder aufgebaut wurde. Bereits im Juni 1915 konnte der Meierhof, ein beeindruckendes Zweiständergebäude von gut 28 Meter Länge und 13,50 Meter Breite, bewundert werden. Die Einrichtung der neuen volkskundlichen Außenstelle des Stadtmuseums dauert fast zwei Jahre.

Am 6. Juni 1917 wurde das Bauernhausmuseum eingeweiht. Professor Hermann Tümpel, der Vorsitzende des Historischen Vereins, verlor die kriegerischen Zeiten nicht aus dem Blick: „Mitten im Krieg ist der Bau fertig geworden, und wenn wir ihn jetzt vor uns sehen, so kommt es uns recht zum Bewusstsein, wie gut wir es haben: Während jenseits unserer Grenzen Dörfer und Städte, Kirchen und Wohnungen in Asche und Trümmern liegen, können wir hier nicht allein unseres bisherigen Besitzes uns freuen, sondern ihn auch mehren.“ Freilich, in Bielefeld war kein Kanonendonner zu hören. Auch sah man keine Schützengräben, Bombentrichter und zerstörten Häuser. Aber die immer kritischer werdende Ernährungslage, die sich nicht nur in den Volksküchen zeigte, in denen mitunter eine drangvolle Enge herrschte, und nicht zuletzt die zahlreichen Todesanzeigen von gefallenen Brüdern, Vätern und Söhnen ließen auch die Bielefelder spüren, dass man sich im Krieg befand. Im Juni 1917 nahm sich Bielefeld auf der Ochsenheide eine kurze Auszeit, bevor die Sorgen wieder den Alltag prägten. Das Bauernhausmuseum wurde von den Bielefeldern und den Menschen aus der Region angenommen. Die Verbundenheit mit dem Museum war groß. Das zeigte sich letztlich auch am Morgen des 23. Mai 1995, als der Meierhof in Schutt und Asche lag. Menschen pilgerten bereits seit den frühen Morgenstunden auf die Ochsenheide, waren fassungslos und weinten. Kinder spendeten ihr Taschengeld und brachten damit zum Ausdruck, auf das Bauernhausmuseum nicht verzichten zu wollen. Bereits wenige Stunden nach der Katastrophe sprach sich Oberbürgermeisterin Angelika Dopheide dafür aus, das Freilichtmuseum wieder aufzubauen.

Dieses Bekenntnis war notwendig, wurden doch bald Stimmen laut, die Museumsanlage stillzulegen und das gesparte Geld zur Entlastung des angespannten städtischen Haushalts zu verwenden. Doch diese Meinung fand keine Mehrheit, weder im Rat und schon gar nicht in der Bevölkerung. Die Frage, wie das Bauernhausmuseum aufgebaut werden sollte, hielt in den Wochen nach dem Brand die Öffentlichkeit in Atem. Neue Standorte, wie der Hof Meier zu Jöllenbeck oder das idyllische Gelände rund um den Hof Höner zu Jerrendorf, wurden vorgeschlagen, aber bald wieder verworfen. Grundlegender war die Diskussion, ob der Meierhof originalgetreu nachgebaut oder ein altes Bauernhaus umgesetzt werden sollte. Die entsprechenden Begriffe „Rekonstruktion“ und „Translozierung“ waren in aller Munde und schienen gar die Museumsfreunde in zwei unversöhnliche Lager zu spalten. Die Entscheidung wurde letztlich zugunsten der von den Fachleuten favorisierten Translozierung getroffen, als die Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (GAB) mit dem Mölleringhof aus Rödinghausen ein passendes Gebäude anbot. Gleichsam bildete die GAB mit dem Historischen Verein für die Grafschaft Ravensberg eine gemeinnützige Trägergesellschaft, die sich den Aufbau und den Betrieb des Museums zum Ziel gesetzt hatte.

Die Stadt trug mit den Versicherungsgeldern die Baukosten und sagte eine jährliche Beteiligung an den Betriebskosten zu. Die GAB stellte Arbeitskräfte und Mitglieder des Historischen Vereins zeichneten gemeinsam mit der Stadt für eine neue Konzeption des Freilichtmuseums verantwortlich. Am 28. August 1999 wurde das Bauernhausmuseum zum zweiten Mal eingeweiht. Hatte das alte Museum mit seiner einzigartigen volkskundlichen Sammlung die Besucher in den Bann gezogen, so stellte sich das neue Museum die Aufgabe, Menschen mit einem längst vergangenen, aber nicht minder faszinierenden Hofsystem bekannt zu machen. Das Leben verschiedener Generationen auf einem Hof, die Hausgemeinschaft, die von Bauern, ihren Familien und dem Gesinde gebildet wurde, die jahreszeitlich abhängigen Arbeiten bilden heute den Schwerpunkt, der vor allem, aber nicht nur Kindern und Jugendlichen mit einer engagierten Museumspädagogik nahe gebracht werden soll. Der Besucherandrang zeigt, dass das neue Bauernhausmuseum von den Menschen angenommen worden ist.

Quellen
- Stadtarchiv Bielefeld, Geschäftsstelle 5, 550: Beschreibung des Hofes Meier zu Ummeln (Bauernhausmuseum) nach der Umsetzung auf der Ochsenheide, verfasst von Architekt Herzbruch (1917)
- Stadtarchiv Bielefeld, Magistratsbauamt 89: Bauernhausmuseum. Erwerb, Errichtung und Ausstattung des Bauernhauses Meyer zu Ummeln (1913-1918)
- Stadtarchiv Bielefeld, Fotosammlung
- Stadtarchiv Bielefeld, Zeitungsbestand
Literatur
- Angermann, Gertrud, Das Bauernhausmuseum. 1917-1995 und seine Zukunft, in: Andreas Beaugrand (Hg.), Stadtbuch Bielefeld. Tradition und Fortschritt in der ostwestfälischen Metropole, Bielefeld 1996, S. 394-397
- Ballerstein, Astrid, Brautschatz und Kornfege. Ein Führer durch das Bauernhaus-Museum der Stadt Bielefeld, Bielefeld 1992
- Großmann, G. Ulrich, Führer durch das Bauernhausmuseum Bielefeld, Bielefeld 1984
- Ravensberger Blätter, Heft 2 (1997): Bielefelder Bauernhausmuseum
Erstveröffentlichung: 01.05.2007
Hinweis zur Zitation:
Wagner, Bernd. J., 22./23. Mai 1995: Das Bauernhausmuseum wird ein Raub der Flammen, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld,
https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2007/05/01/01052007/, Bielefeld 2007